"Nepal Erleben" 16.10. – o2.11.2018 - Kleingruppenreise powered by Ikarus--Tours
16.1o. Frankfurt – Doha – Kathmandu
Auf nach Kathmandu!
Mit Qatar Airways geht es pünktlich in 6 Stunden nach Doha und von dort in weiteren 4 Stunden direkt nach Kathmandu.
17.1o. Ankunft in Kathmandu
Von Bankschaltern, dem Everest und Momos
Der Tipp mit dem Online-Visum war klasse, nur leider völlig umsonst. Es kommen gleichzeitig mehrere Maschinen an Nepals einzigem internationalen Flughafen an.
Zuerst stehen wir über eine Stunde am Bankschalter an, um korrekt unser Visum zu bezahlen (US $40) . Nur mit dieser Quittung kann man sich beim eigentlichen Immigration-Schalter anstellen - was eine weitere Stunde in Anspruch nimmt. Am Schalter wurde hingebungsvoll das Visum von Hand in den Pass geklebt, ausgefüllt und mit dem amtlichen Stempel versehen.
Irgendwann nehmen wir auch diese Hürde und weiter geht es zur Gepäckausgabe, wo unsere Koffer bereits stundenlang ihre Kreise drehen. Nichts wie raus jetzt hier. Weit gefehlt. Nun geht es zur Gepäckdurchleuchtung, gemeinsam mit hunderten Anderen. Ist dies auch ihr Gepäck? Wie viele Gepäckstücke? Bei den überall herumstehend und – liegenden Gepäckbergen eine verständliche Frage.
Irgendwann sind wir dann tatsächlich am Ausgang und finden uns einer Vielzahl von Menschen gegenüber, die unterschiedlichste Schilder mit Namen, Firmen oder Reisegruppen hochhielten. Wie sollen wir in diesem Gewusel denn bloß unseren Reiseleiter von Ikarus –Tours treffen? Irgendjemand entdeckt dann tatsächlich einen kleinen Nepali mit Schild „Ikarus-Tours“. Geschafft!
Draußen vor dem Flughafengebäude warten bereits andere Teilnehmer unserer Reisegruppe. Wie haben die das bloß schneller geschafft?
Irgendwann sind dann alle da und wir machen uns mit unserem Gepäck auf zum Parkplatz, wo unser Bus wartet. Zur Begrüßung gibt es dort für jeden von uns eine Blumenkette aus orangen Tagetes. Ich mag eigentlich keine Tagetes – aber diese Blumenketten sind einfach schön. Welcome to Nepal!
Die Sonne scheint, es ist warm und was für ein Gefühl – wir sind endlich da!!!
Nach recht kurzer Fahrt ins Zentrum, Ankunft in unserem Hotel „ Kantipur Temple House“, am Rand des Touristen-Viertels Thamel.
Das Hotel liegt mitten in der Stadt, aber absolut ruhig in einer kleinen Gasse ohne Durchgangsverkehr mit einem eigenen kleinen Garten. Die Zimmer sind recht einfach, aber stilvoll im nepalesischen Stil mit einem Alkoven und kunstvollen Holzschnitzereien, der einen Blick in den Innenhof freigibt. Das Badezimmer ist winzig und die Notwenigkeit eines großen blauen Eimers in der Dusche erschließt sich uns nicht ganz. Notfall-Equipment zum Haare waschen oder Toilette spülen? Wir vertiefen die Frage nicht.
Auf den Zimmern ist Trinkwasser in einer Messingkanne für uns bereit gestellt an die wir uns (noch) nicht herantrauen. Wir kaufen kleine Plastikflaschen im gegenüber liegenden kleinen Laden, da wir doch vorher mehr als eine eindringliche Warnung bezüglich des Genußes des Leitungswassers in Nepal gelesen haben.
Da es heute noch kein Programm gibt, machen wir uns am frühen Nachmittag auf und wollen ein wenig die Umgebung erkunden. Zwei Ecken später finden wir uns mitten im geschäftigen Touristen-Viertel Thamil wieder und ziehen erste Erkundigungen bezüglich notwendiger Mitbringsel, wie Gebetsketten, Gebetsfahnen, Kaschmir-Schals und nepalesischem Tee ein.
Da gibt es Schmuck-, Andenken-, Stoff- und Taschenläden, Trekking-Outfitter und überall Straßenverkäufer mit ihren altersschwachen Fahrrädern und riesigen Drahtkörben auf dem Gepäckträger gefüllt mit Granatäpfeln, Orangen und Zitronen. An der Querstange sind die Bananenstauden aufgehängt. Das sieht sehr exotisch aus und mir fällt der lebensnotwenige Spruch ein, den ich im Vorfeld gelesen haben „ Peel it, cook it or leave it“. Schäl es, koch es oder vergiß es.
Die Stromverkabelung ist mehr als abenteuerlich und verläuft für die gesamte Stadt auf altersschwachen Pfählen entlang der Straßen und Hauswände. Braucht jemand einen neuen Strom-Zugang wird einfach ein neues Kabel hinzugehängt und angebunden. Fertig.
Immer weiter dringen wir ins Viertel vor und irgendjemand entdeckt diese wunderschönen Restaurants auf den Dachterrassen entlang der Einkaufsstraße. Ein kleines Begrüßungsbier wird wohl drin sein, nachmittags um 4 entscheiden wir uns und erklimmen das enge Treppenhaus, bis in die 4.Etage, zur Fat Monk´s Rooftop Bar.
Wir entscheiden uns für unser erstes lokales Bier, ein „Everest“ und sind begeistert! Am Nachbartisch werden ein paar sehr lecker aussehende Häppchen serviert und wir bitten den Kellner uns das Gleiche zu bringen –
„ Momo´s “ heißt das und es sind kleine gefüllte und frittierte Teigtaschen, die ausgezeichnet schmecken. Wir lassen uns die Karte kommen und tauchen das erste Mal voller Neugier in die übersichtliche nepalesische Küche ein. Interviewen den zunehmend belustigten jungen Kellner und lassen ihn typisch nepalesische Vorspeisen auswählen, die wir unbedingt kennenlernen müssen. Wir bestellen Momo´s aller Art, frittiert und gekocht, mit „Vegetibles“ und „Chicken“ und „Buff“ , also Wasserbüffel, versuchen uns an gebratenen Nudeln, Thukpa, Dhal und an Erdnuss-Salat. Himmel ist das scharf! Da schießen Tränen in die Augen, die Oberlippe verliert jedes Gefühl und die Luftröhre wird eng. Vor dem ein oder anderen Tellerchen, was sich auf unserem Tisch unschuldig darbietet, ist äußerste Vorsicht geboten. Die Belegschaft freut sich diebisch wenn wieder jemand aufs Neue nach Luft schnappt.
Es wird langsam dunkel und wir beschließen noch ein wenig durch die Gassen zu bummeln. Wir wagen uns etwas tiefer in die Einkaufsstraßen Kathmandus vor. Da drängen sich durch die engen Gassen hunderte von hupender Motorradfahrer, Fahrräder, PKW´s und Fußgänger und oft müssen wir auf irgendwelche Steinvorsprünge ausweichen um nicht einfach umgefahren zu werden. Hier sind alle Sinne gefordert und das nicht aufhörend wollende Hupkonzert der überholwilligen Verkehrsteilnehmer macht ein geordnetes Fortkommen manchmal schwierig. Die Gassen werden immer dunkler, die Touristen-Geschäfte weichen einheimischen Geschäften und auf einmal befinden wir uns mitten im echten ungeschminkten und ehrlichen Gassenleben von Nepal. Da finden sich Obst- und Gemüsestände, Schuhberge, Haushaltswaren, Stoffe, Pilze, Nüsse ,Reis, Getreide und Blumen und auf den etwas größeren Plätzen stehen kleine Altäre und Stupas. Eine grobe Orientierung habe ich noch, aber den Rückweg zu unserem Hotel finden wir nicht mehr auf Anhieb. Da muss die App her und schließlich finden wir auch den Zugang zur kleinen Gasse, in der unser Kantipur Temple House liegt, wieder. Den ersten Tag ohne Verluste und Ausfälle mit viel Spaß überlebt.
Nach diesem ersten Ausflug ins pralle nepalesische Leben fallen wir todmüde in unsere Betten.
18.10. Kathmandu
Von Affen, Jogis und Leichenverbrennungen
Nach einem ordentlichen Frühstück im Hotel, treffen wir uns um o9.oo h das erste Mal mit unserer Gruppe zum ganztägigen Besichtigungsprogramm. Wir müssen zur großen Durchgangsstraße laufen, weil unser großer Bus nicht in die kleinen Gassen von Thamil passt.
Unser erstes Ziel ist der Tempelbezirk von Swayambhunath, einem Wahrzeichen von Kathmandu. Er gilt mit ca. 2500 Jahren als einer der ältesten Tempelbezirke der Welt und liegt auf einem sagenumwobenen Berg, etwas außerhalb der Stadt.
Am Fuße des Swayambhunath besuchen wir zuerst die drei goldenen Buddha-Statuen und sehen das erste Mal diese faszinierenden Gebetsmühlen in klein und groß. Wir folgen dem mit Gebetsfahnen geschmückten Rundweg entlang der Mauer, am Fuße des Berges, und sehen die ersten Affen, die auf der Mauer entlang turnen.
Vor uns erhebt sich eine riesige Rauchwolke und wabert uns entgegen. Noch denke ich mir nicht allzu viel dabei. Da wird sicherlich irgendein Abfall verbrannt. Unser Reiseleiter Pradeep belehrt uns eines Besseren. Hier am Fuße des heiligen Berges gibt es eine Leichen-Verbrennungsstätte und gerade wird eine Leiche verbrannt. Wir sehen die Umrisse der Leiche, die auf einem großem Steintisch aufgebahrt ist, im Schein des Feuers lodern. Sehr befremdlich. Er wird uns später mehr dazu erzählen. Ich atme tief durch.
Nun sind wir an den berühmten 365 Stufen, die hoch zur heiligen Stupa auf den Berg führen. Die Affen bevölkern die vielen kleinen Altäre und bedienen sich an den vielen geopferten Nüssen und anderen Köstlichkeiten.
365 steile Steinstufen sind ganz schön anstrengend. Aber der Ausblick auf das ganze Kathmandu-Tal ist wirklich beeindruckend. Der Himalaya verbirgt sich allerdings im Dunst oder Smog der Großstadt.
Hier oben steht dieser riesige beeindruckende alte Stupa, mit seinen bunten Gebetsfahnen geschmückt und den eindringlichen blauen Augen. Er wird auch „Affentempel“ genannt, wegen der hier seit Jahrhunderten lebenden Affengruppen. Und die Bezeichnung STUPA kommt aus dem Sanskrit und bedeutet buddhistisches Bauwerk, das Buddha selbst und seine Lehre, den Dharma, gewidmet ist.
In den daneben stehenden kleinen Tempelhäusern mit Altären brennen Räucherstäbchen und Öllichter und ziehen viele Gläubige an.
Man darf den Stupa nur im Uhrzeigersinn umrunden (wie die Erde die Sonne umrundet) und genau so sind auch die Gebetsmühlen anzustoßen – nur mit der rechten Hand im Uhrzeigersinn im Vorbeigehen.
Sonst kann das gute Kharma nicht angehäuft werden.
Auf einem anderen Weg geht es wieder vom Berg hinunter, vorbei an einer anderen großen Stupa, die etwas versteckter zwischen großen Bäumen liegt. Hier werden wir das erste Mal angesprochen ob man sich mit uns fotographieren lassen dürfte - what? Offensichtlich sehen wir so fremdländisch aus, dass das etwas Besonderes ist – sehr amüsant!
Weiter geht es mit dem Bus zurück ins Zentrum Kathmandus. Wir parken am Bagmati-Fluß und überqueren ihn auf einer Fußgänger-Brücke. Und sind erschreckt über den Dreck und Müll, der hier im Fluß und an seinen Rändern treibt. Was für ein Jammer, dass der Nepali überhaupt kein Umweltbewusstsein zu haben scheint.
Wir machen einen Spaziergang durch einen weniger wohlhabenden Stadtteil von Kathmandu und begutachten die sehr lecker aussehenden Essensstände am Rande der Straße. Dies wäre nichts für Europäer, sagt unser Pradeep und warnt uns eindringlich davor hier an solchen Ständen etwas zu essen zu kaufen. Das vertragen unsere europäischen Mägen nicht, meint er. Alle halten sich dran.
Hier sehen wir das erste Mal (und es wird nicht das letzte Mal sein) noch viele Spuren des schweren Erdbebens vom April 2015. Vereinzelt liegen Schuttberge an der Straße und die heil gebliebenen Ziegel sind fein säuberlich zur weiteren Verwendung aufgestapelt. Manche Häuser sind aus Sorge und zur Vorbeugung vor weiteren Beben mit großen Holzstangen auf dem Bürgersteig abgestützt. Vieles ist aber auch schon wieder aufgebaut und restauriert.
Dann kommen wir zum großen berühmten Durbar-Square, dem Platz vor dem alten königlichen Palast (Unesco –Weltkulturerbe), der bis zum großen Erdbeben von mehr als 50 Pagoden, Tempeln und Palästen gesäumt war. Die Gebäude auf der gesamten, einen Seite des Durbar Square sind damals eingestürzt und werden derzeit aufwendig wieder aufgebaut. Wir schlendern über den Platz, der heute, am höchsten Feiertag des Dashain, des größten Hindu-Festivals, von einer langen Schlange anstehender Menschen umringt ist. Nur heute, einmal im Jahr, ist es möglich den alten Königspalast zu besichtigen. Die Nepali sind alle, wegen des hohen Feiertages, in ihre besten, bunten Kleider gehüllt und warten geduldig in der viele hundert Meter langen Schlange bis sie weiter vorrücken dürfen.
Wir nehmen unser Mittagessen auf einer der Dachterrassen direkt am Durbar Square ein und haben einen wunderbaren Rundumblick auf das wirklich bunte Treiben.
Anschließend geht es direkt zusammen mit zehntausend anderen in den Tempelbezirk und wir haben ein wenig Zeit uns in Ruhe umzusehen und dieses bunte, wuselige Treiben zu fotografieren. Tausende von Tauben haben hier ihr Zuhause und manche Dächer der Tempel sind vor lauter Tauben kaum mehr zu sehen. Da sie hier heilig sind werden sie auch immer von den Gläubigen gefüttert. Alles liegt voll mit Vogelfutter und kleine Kinder machen sich einen Spaß daraus sie über die Plätze zu jagen.
Auf den Stufen einer Pagode sitzen zwei sehr fotogene Jogi, die sich gerne gegen kleine Scheine fotografieren lassen, beobachte ich. Das ist es mir wert , denke ich. Sie winken auch schon auffordernd mit den Händen man möge sich doch zwischen sie setzen. Ich gebe also den Fotoapparat ab und setze mich zwischen diese beiden Jogi. Danach gebe ich brav einem der Jogi einen 100 Rupien-Schein in die Hand. Er würdigt ihn keines Blickes und steckt ihn weg. Dafür streckt mir allerdings der andere Jogi fordernd seine Hand entgegen – also getrennte Kasse. Ich wurstele einen weiteren 100 Rupien-Schein aus meiner Tasche und versorge auch den anderen Jogi mit Trinkgeld. So ein Jogi-Leben muss ja auch finanziert werden.
Gemeinsam in der Gruppe drängen wir uns durch die prall gefüllten Gassen und die „Basarstraße“- den uralten Handelsweg von Tibet nach Indien, an dem die Wurzeln Kathmandus liegen. Wo Querstraßen die alte Basarstraße treffen, gibt es einige wenige größere öffentliche Plätze, wie Inda Chowk und am Asan Tol wo einzelne Stupas stehen die kunstvoll geschmückt sind und Altäre stehen, die vom gut erzogenen Nepali gerne mal kurz im Vorbeigehen benutzt werden, um den ein oder anderen Gott für weitere Unternehmungen gnädig zu stimmen.
Wir besichtigen den ein oder anderen Hindu-Tempel in versteckt liegenden Hinterhöfen, quetschen uns an Obst- und Gemüseständen vorbei, zwischen hupenden Motorrad-Fahrern und anderen Fußgängern durch und befinden uns auf einmal wieder in der Gegend in der wir gestern Abend schon alleine unterwegs waren.
Unser Bus wartet bereits an einer großen Ausfallstraße auf uns. Aber heute ist aufgrund des Feiertags nicht viel Verkehr und die Fahrt nach Bodnath dauert nicht all zu lange.
Wir laufen durch die Gassen, biegen um eine Ecke und stehen völlig unvermittelt auf einem riesigen Platz in dessen Mitte der riesige Stupa von Bodnath thront. Er ist noch deutlich größer und höher als der Stupa von Swayambhunath, liegt aber mitten zwischen Wohnhäusern. Der Platz ist voller Menschen und auch hier wird der Stupa nur im Uhrzeigersinn umrundet und besichtigt. Anders herum ist schlecht fürs Karma. Haben wir ja schon gelernt. Pradeep gibt uns nach kurzer Übersicht über die wichtigsten Daten eine Stunde Zeit Bodnath auf eigene Faust zu erkunden.
Es dämmert bereits und die Stupa wird von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne angestrahlt – was für ein Farbenspiel- ausgezeichnetes Timing!
Ein Gruppenbild vor der Stupa von Bodnath muss natürlich sein und wir beschließen, nachdem wir ja gestern schon unsere Vorliebe für Dachterrassen entdeckt haben, direkt am Platz mit Blick auf die Stupa noch einen Kaffee zu trinken und das rege Treiben auf dem Platz zu genießen.
Nun gut, wir waren einigermaßen pünktlich wieder bei unserer Gruppe.
Wir verlassen den großen, hell erleuchteten Platz durch ein kleines Tor am Ende des Platzes und finden uns völlig unvermittelt in absoluter Dunkelheit mitten auf einer Hauptverkehrsstraße im absoluten Verkehrs-Chaos wieder. Hatte ich schon erwähnt, dass es in Nepal weder Straßenbeleuchtung noch Bürgersteige gibt, die es einem Fußgänger möglich macht entlang der Straße zu gehen ohne sich permanent in Lebensgefahr zu befinden?
Das einzige was wir sehen sind die Scheinwerfer der entgegenkommenden Fahrzeuge oder wahlweise die Rücklichter der anderen. Wir schlängeln uns um Baustellen und riesige Schlaglöcher herum, zwischen Motorrädern und LKWs durch. Es ist dunkel. Es ist laut. Es ist dreckig. Jetzt bloß nicht die Gruppe aus den Augen verlieren…. Was würde ich wohl tun wenn sie plötzlich alle weg wären…fällt mir der Name unseres Hotels noch ein… und wo bekäme ich wohl ein Taxi zu unserem Hotel her… da vorne sehe ich einen hellen Hinterkopf aus unserer Reisegruppe…. Irgendwann mache ich unseren Bus auf der anderen Straßenseite aus. Jetzt heißt es die Straße zu überqueren. Sie ist mehrspurig, in beiden Richtungen. Wobei die Anzahl der Spuren nicht genau geregelt ist in Nepal. Läuft der Verkehr manchmal zügig mit 2-3 Spuren in der gleichen Richtung kann sich diese vermeintliche Ordnung auch schnell auflösen und es gibt plötzlich 4 oder 5 Spuren in eine Richtung und dem entgegenkommenden Verkehr bleibt nur noch eine, winzig kleine Spur übrig. Wer schneller und stärker ist hat Vorfahrt – frei nach Darwin interpretiert.
Wir schaffen es ohne größere Verluste über die Straße und flüchten in unseren Bus.
Es geht zurück in die Innenstadt Kathmandus, wo wir noch vor dem Abendessen die Verbrennungstätten von Pashupatinath und ein Lichterfest besuchen wollen.
Unser Busfahrer lässt uns wieder am Bagmati-Fluss raus, wo wir eine abenteuerliche Hängebrücke auf die andere Flussseite überqueren müssen. Manchmal ist es ja gut wenn man nicht alles im Hellen sieht.
Die ersten Verbrennungsstätten von Pashupatinath , große Steinquader am Rand des Bagmati-Flusses mit kleinen Überdachungen und Sitzgelegenheiten sind Gott-sei-Dank leer und wir wandern weiter zum Lichterfest. Dieses findet 2x in der Woche hier, an einer großen, breiten Steintreppe entlang des Flusses, statt. Pünktlich sind wir vor Ort und finden auf einer alten Steinbrücke über den Fluss einen ausgezeichneten Standort um alles gut sehen zu können.
Während wir darauf warten dass das Lichterfest auf der rechten Flussseite beginnt, lenkt Pradeep unsere Aufmerksamkeit auf eine Gruppe von Männern die auf der anderen Flussseite stehen und ein oranges Paket am Ufer des Flusses umringen. So sieht es auf jeden Fall auf den ersten Blick aus. Er erklärt uns dass es sich um eine Leiche handelt. Ich schlucke.
Doch eine Leichenverbrennung. Hier und jetzt. Und wir stehen in der ersten Reihe.
Der Leichnam wird mit den Füßen in den heiligen Fluss gehalten damit am Kopf die guten Geister entweichen können. Jeder Fluss, der später einmal in den heiligen Ganges mündet ist ebenfalls heilig und damit für diese Totenverbrennungen qualifiziert. Dann wird der in leuchtend orangenen Stoff geschlagene Leichnam von 6 Männern zur Verbrennungsstätte getragen und dort abgelegt. Hier wird, direkt am Fuße der Brücke auf der wir stehen, bereits Holz für das Feuer aufgeschichtet. Dicke Holzscheite bilden die Unterlage. Dann wird langes Gras in das heilige Wasser des Flusses getaucht und auf den Holzscheiten ausgebreitet. Darauf wird feierlich die Leiche gelegt. Dann folgen wieder nasses Gras und Holzscheite.
Mir ist nicht ganz wohl dabei, dieser für mich sehr persönlichen Prozedur so öffentlich, vor vielen hundert Menschen zu folgen. Ich sitze auf der hinteren Steinbalustrade der Brücke und linse nur ab und zu, etwas gegruselt, durch die Leiber, die sich mittlerweile vor mir drängen. Da wird diskutiert und erklärt, werden Vermutungen angestellt und die Kameras laufen heiß.
Das Lichterfest beginnt mit hinduistischen Klängen und Gesang und es werden Kandelaber mit vielen Kerzen entzündet. Tänzer bewegen sich in kleinen Kreisen auf den einzelnen Plateaus, der Gesang erfüllt das kleine Flusstal und die Hänge mit für uns sehr ungewöhnlichen Klängen.
Doch unsere Blicke wandern immer wieder zu der Bestattung zu unseren Füßen. Da entkleiden sich zwei junge Männer, waschen sich im Fluss und ihnen wird vor aller Augen der Kopf geschoren. Sie müssen rein sein, erklärt uns Pradeep, damit sie das Feuer entzünden können. Abschließend werden ihnen Ketten um den nackten Oberkörper gelegt. Wahrscheinlich handelt es sich um die ältesten Söhne, denen in der Regel diese schwere Aufgabe zuteil wird. Er erklärt uns, dass eine Bestattung unverzüglich erfolgen muss, meistens innerhalb von 3-4 Stunden nach dem Tod. So ist es Brauch. Da die Familienverbände normalerweise sehr nah beieinander wohnen ist es auch kein Problem. Es nehmen nur Männer an einer Bestattung teil. Frauen wird das aufgrund ihrer körperlichen und geistigen Verfassung nicht zugetraut.
Deshalb ist es völlig unerheblich dass gerade auf der anderen Flussseite ein Lichterfest gefeiert wird. An dieser Stelle des Flusses werden allerdings nur die reicheren Menschen verbrannt, für die niederen Kasten sind die einfacheren Verbrennungsstätten weiter unten am Fluss vorgesehen.
Irgendwann wird dann von den jungen, geschorenen Männern das Feuer entzündet und gegenüber nimmt das Lichterfest seinen Lauf. Das Feuer qualmt wegen des nassen Grases ganz erheblich. Dies ist aber notwendig und wirkt als Puffer zum Holz, damit die Leiche auch komplett verbrennt.
Nein, es riecht nicht nach verbranntem Fleisch. Es riecht wie ein normales Holzfeuer. Die Kameras klicken.
Ist nach einigen Stunden der Leichnam verbrannt und das Feuer erloschen wird die Asche in den Fluss geworfen und findet ihren Weg in den heiligen Ganges.
Und irgendwann ist das Lichterfest zu Ende und wir können gehen. Ich brauche jetzt einen Schnaps. Oder etwas anderes. Irgendetwas mit Alkohol.
Zurück im Kantipur Palace Hotel gibt es Abendessen und die wohl unvermeidliche Diskussion um Tot und Kulturen und deren unterschiedlichen Umgang damit. Der Tot gehört hier zum Leben, viel direkter, unvermittelter und kompromissloser als bei uns in unseren westlichen Lebensweisen. Diesen anderen, für uns , sehr eigentümlichen Umgang mit Toten werden wir im Verlauf der Reise noch mehrfach erleben. Und irgendwann können auch wir es akzeptieren und nicht mehr als so ungewöhnlich, fast schon ein wenig makaber, einordnen.
Ein sehr ergreifendes Erlebnis war es auf jeden Fall.
Und ein absolut faszinierender Tag.
19.10. Kathmandu – Chitwan NP
Vom Weiß im Auge des Fahrers des entgegenkommenden LKW, einer echten Ochsentour und einem Nashorn
o8.oo h Abfahrt. Wir haben heute eine lange Strecke vor uns.
Zuerst geht es Richtung Osten auf dem Prithvi Highway bis Mugling.
„Highway“ ist ein sehr hochtrabendes Wort. Zuerst einmal müssen 10 km Baustelle hinter uns gebracht werden. Unser Bus schleicht mit 20-30 km/h über Schotterstrecken und um Schlaglöcher herum, die, sollte man sie treffen, ein vorzeitiges und sofortiges Ende dieser Tagesetappe bedeuten.
Die Straßenverhältnisse sind so abenteuerlich, dass ich zwischenzeitlich vorne im „Fahrersalon“ mitfahren darf, weil ich das Ganze filmen möchte.
Der „Fahrersalon“ ist mit einer Zwischenwand aus Glas und mit einer Tür vom restlichen Fahrgastraum abgetrennt. Rechts sitzt recht komfortabel der Busfahrer (in Nepal herrscht Linksverkehr). Auf der linken Seite ist eine breite Sitzbank der Länge nach angebracht, die nachts wohl auch aus Bett dienen kann. Auf diesem Bett/Sofa sitzt der junge Gehilfe des Busfahrers. Bereitwillig wird mir auf diesem Bett/Sofa Platz gemacht und der junge Gehilfe macht es sich in der Mitte auf dem Motorblock gemütlich.
Ein Großteil der Strecke verläuft landschaftlich sehr schön entlang des Trisuli-Flusses und wir haben teils atemberaubende Ausblicke hinab ins tiefe Flusstal und auf steile Felswände.
Der ein oder andere Fotostopp folgt, doch der Himalaya ziert sich etwas und wir erahnen nur im breiten Wolkenband am Horizont das ein oder andere Mal einen Hauch von Bergspitze.
Dafür können wir das erste Mal diese herrlich bunten LKWs bestaunen die heute am Nationalfeiertag überall, geparkt vor den Häusern und Hütten, stehen, weil heute die ganze Nation frei hat. Was unser Vorankommen nicht unbedingt erschwert. Dafür sehen wir die ersten , saftig grünen Reisfelder entlang der steilen Berghänge und engen Täler, die ersten einfachen Hängebrücken über den Fluss und Pradeep zeigt uns den ersten wild wachsenden Cannabis am Straßenrand. Wir sind erstaunt.
Die Straßenverhältnisse sind auch ohne LKWs abenteuerlich. Wir brauchen für die 170 km um die 6 Stunden. Am Berg kriechen wir mit 10-20 km/h hoch und sind nicht sicher ob unser Bus die Steigung überhaupt jemals bewältigt. Überholt wird vom nachfolgenden Verkehr immer und an jeder Stelle, egal ob es sich um enge Haarnadelkurven im Gebirge oder etwas übersichtlichere Etappen im Flachland handelt. Durch ein kurzes Hupen des überholwilligen Nachfahrers wird unserem Busfahrer signalisiert, dass sich ein Fahrzeug im Überholvorgang befindet. Das bedeutet für unseren Busfahrer aber auch erhöhte Konzentration. Sollte nämlich hinter einer völlig uneinsehbaren engen Kurve plötzlich ein entgegenkommendes Fahrzeug auftauchen ist es an ihm heftig in die Bremsen zu gehen um ein Blutvergießen zu verhindern. Motorradfahrer und PKWs überholen bis sie das Weiße im Auge des entgegenkommenden Fahrers sehen. Da ist doch noch Platz genug.
Im Verlaufe unserer Fahrt wird es immer wärmer und feuchter und auch die Landschaft verändert sich zusehends. Die hügeligen Gebirgsketten weichen einer flachen und platten Landschaft. Wir sind in den Tropen angekommen.
Gegen 14.oo h sind wir im Chitwan Nationalpark angekommen und checken in unserem Hotel Parkland ein. Eine schöne kleine Hotelanlage in einem großen tropischen Garten, die auch in jedem anderen asiatischen Land stehen könnte.
Am späten Nachmittag steht eine echte Ochsentour auf dem Programm.
Wir werden gegen 17.oo h von 3 alten Ochsenkarren direkt am Hotel abgeholt. Sie werden von Wasserbüffeln gezogen und der Ochsenkarrenfahrer sitzt vor uns etwas tiefer auf einem Brett.
Im Schritttempo geht es durch den kleinen Ort und quer über Felder direkt in den Nationalpark.
An einer schönen Flussbiegung angekommen, ist unsere Ochsenkarrenfahrt zu Ende und wir gehen zu Fuß weiter. Entlang des Flusses und durch ein altes verlassenes Hotelgelände. Etwas spooky hier. Das Hotel musste vor 10 Jahren aufgegeben werden, weil das Gelände zum Teil des Nationalparks erklärt wurde. Jetzt ist alles verfallen und zugewuchert und verströmt eine sehr eigenwillige, etwas morbide Atmosphäre. Pradeep erzählt uns, dass er hier früher oft mit seinen Gruppen übernachtet hat. Jetzt ist es ein Dschungel-Geisterhotel. Leider sind keine Krokodile am Flussufer zu sehen und wir kehren um. Nach der Überquerung eines Sumpfgeländes kommen wir an einer großen Elefantenfarm vorbei. Hier stehen die großen grauen Tiere an ihren Füßen mit schweren Eisenketten gefesselt auf einem strohbedeckten Platz unter einer Überdachung und wiegen sich gelangweilt hin und her. Was für Stoßzähne! Aber irgendwie tun sie mir leid wie sie da angekettet vor sich hin sinnieren.
So schöne Tiere und so groß und gefährlich in freier Wildbahn.
Kurz nach der Elefantenfarm, auf unserem Weg zurück zum Hotel, kommt plötzlich Unruhe in unsere kleine Wandergruppe. Da vorne steht angeblich ein Nashorn im Gebüsch! Wir beschleunigen unsere Schritte. Doch es wendet und läuft immer weiter. Wir hinterher.
Es läuft über plötzlich asphaltierte Wege direkt ins Dorf!
Dann findet es, mitten im Dorf, wohl einen leckeren Busch am Wegesrand und macht sich genüsslich darüber her. Es kommt zu einem kleinen Menschenauflauf. Jeder möchte einmal am Nashorn vorbei und es aus der Nähe bestaunen. Ungerührt steht es da, frisst und nimmt keinerlei Notiz von der Unruhe um ihn herum. Gefährdet oder irgendwie bedroht fühlt es sich auf jeden Fall nicht. Es kommen andere Besucher hinzu und es werden Selfies aus jedem Blickwinkel geschossen. „Me and the rhino“ von oben , von unten, von hinten, von vorne…
Irgendwann haben wir genug vom Hippo gesehen und wandern zurück zum Hotel weil das Abendessen wartet.
Wir dinieren an einem langen Tisch auf einer schönen Terrasse mitten im Garten. Es ist herrlich warm, die Stimmung ist ausgelassen und wir fühlen uns pudelwohl.
Nach dem Abendessen reden wir mit unserem Reiseleiter Pradeep über die Elefanten, die hier im Chitwan die Haupteinnahmequelle der Bevölkerung darstellen. Und es ist ganz interessant was er zu erzählen hat. Dass das ganze Dorf hier von den angebotenen Elefantenritten in den Nationalpark lebt. Wie ein Elefant abgerichtet wird, was er frisst, wieviel er am Tag arbeitet, dass er (wenn möglich) lebenslang immer ein und denselben Pfleger hat. Der eigentlich mit ihm irgendwie zusammen lebt und sich ausschließlich um das Wohl seines Elefanten kümmern muss. Dass ein Trainer, der die Elefanten wenn sie jung sind, zum Reit- und Arbeitstier abrichtet, niemals ein Elefantenführer wird. Weil der Elefant nicht vergisst was ihm der Trainer an Schmerzen angetan hat um ihn abzurichten. Ich habe von diesen ziemlich harten Erziehungsmaßnahmen bereits auf einer Indien-Reise gehört und die blutigen, eitrigen Löcher über den großen Elefantenohren gesehen. Hier werden lange Stöcke mit einem Eisenhaken eingeklinkt um den Elefant gefügig zu machen, wenn er nicht so möchte wie der Trainer. Eine ziemlich schmerzhafte Art der Unterwerfung und wohl auch der Grund warum das Elefantenreiten weltweit so umstritten ist. Allerdings werden auch gewöhnliche Arbeitselefanten so abgerichtet und „erzogen“.
Sie sind einfach um ein vielfaches größer und stärker als wir kleinen Menschen. Da musste sich der kleine Mensch schon eine ziemlich fiese Methode überlegen damit dieses große Grautier tut was Mensch will.
Ich mag Elefanten auch lieber in einer großen wilden Horde über die Savanne ziehen sehen.
20.10.2018 Chitwan Nationalpark
Von Elefanten, Krokodilen und fiesen kleinen Blutegeln
Ich wache morgens um o5.oo h von den Geräuschen vor unserem Fenster auf und lausche ganz verzückt. Das Dorf erwacht. Da krähen vereinzelt die Hähne und gackern die Hühner. Da raschelt jemand mit Stroh. Ein Feuer wird entzündet und der Rauch zieht zu uns herüber. Irgendein Mann spricht – leise und beruhigend, mit unidentifizierbaren Lauten - mit einem Tier. Was für ein Tier mag das wohl sein, dass so viel Aufmerksamkeit bekommt? Es wird gefegt und mit Geschirr geklappert, vielleicht ein Tee aufgesetzt. Irgendwo dudelt ein Radio. Ein Tier schnauft und stampft. Ich höre Wasser laufen. Geschäftiges hin und her räumen. Es dämmert und wird langsam hell. Dann klingelt der Wecker, ich stehe auf und ziehe die Vorhänge vor unserem rückwärtigen Fenster zurück. Gestern hatte ich diesem Fenster, vor dem ein großer Vorhang war, überhaupt keine Beachtung geschenkt. Direkt unter unserem Zimmer ist ein Elefantenstall! Doch sie sind bereits alle ausgeflogen und auf dem Weg zur Arbeit. Jetzt ergeben auch all die Geräusche einen Sinn. Die Pfleger haben ihre Elefanten gefüttert, sie und sich fertig gemacht und sich dann mit ihnen gemeinsam auf den Weg zur Arbeit gemacht.
Um o7.oo h ist Abfahrt zum Chitwan Nationalpark. Wir sitzen auf der Ladefläche eines LKW und werden zum Fluß gebracht. Der warme Dunst hängt noch über dem Sumpf und verleiht der ganzen Landschaft ein etwas mystisches Aussehen.
Wir gehen zum Fluss hinunter und finden dort lange Einbaum-Boote vor, in die wir nun ganz langsam und vorsichtig einsteigen sollen. Der erste aus unserer Gruppe besteigt den wackeligen Einbaum und setzt sich in den Bug. Der Nächste folgt vorsichtig und setzt sich mit gespreizten Beinen direkt hinter ihn. So füllt sich das Boot langsam. Hoffentlich kentern wir nicht… So mit vollem Kamera-Equipment dabei- wo es hier doch angeblich auch Krokodile geben soll. Da ist die Kamera-Ausrüstung dann wohl das kleinste Problem…. In der Ferne sehen wir die Elefanten mit ihren Passagieren im Nebel durch den Fluss laufen.
Leise gleiten wir auf dem ruhigen Fluss entlang in den Sonnenaufgang. Diese Stille ist schon beeindruckend. Nur unterbrochen von den vielen Geräuschen des Waldes.
Nein, das ist kein Baumstamm dort im Wasser, das ist ein ausgewachsenes Krokodil. Wir sehen nur zwei Augen und einen kleinen Teil seines grauen Kopfes aus dem Wasser ragen. Ob es wohl hungrig ist?
Bunte, schillernd blaue Kolibris sitzen auf den abgestorbenen Bäumen am Flussufer. Wir lassen uns von der Strömung des Flusses treiben. Da schwimmt ein ausgewachsenes Krokodil ganz in unserer Nähe. Und dort liegt ein Prachtexemplar auf einer Sandbank am Ufer. Doch sie sind träge unterwegs heute morgen.
Nach einer Stunde friedvollem Dahingleiten steigen wir an einer Furt aus und unser Ranger wartet bereits auf uns. Jetzt geht es zu Fuß weiter. Savannen-ähnliche Wiesen und dichter Wald wechseln sich ab. Durchzogen von Sümpfen, kleinen Teichen und größeren Seen. Der Ranger zeigt uns Termiten-Bauten, die mitunter unsere Reiseteilnehmer überragen und ältere Bären-Spuren in einer ausgetrockneten Pfütze. Das ist wohl das allerletzte Tier was ich hier erwartet hätte – ein Bär!!!
Über etwas abenteuerliche Brücken-Konstruktionen geht es über kleinere Bäche und Sumpfabschnitte. Spiegelglatte Seen tun sich vor uns auf. Angeblich soll es hier sogar die seltenen Tiger geben.
Lediglich mit den ganz kleinen Tieren machen wir hinreichend Bekanntschaft – Blutegel! Pradeep zeigt uns wie sie aussehen. Panik bricht aus. Vereinzelt haben sie sich bereits auf Schuhen und Hosenbeinen niedergelassen und versuchen sich festzusaugen oder in das Futter zu bohren. Hastig werden Schuhe ausgezogen und detailliert untersucht, Hosenbeine ausgeschüttelt und gegenseitig abgesucht. „Du hast da was…“ lässt uns regelmäßig kurz vor einer Panikattacke stehen. Sie sind einfach ekelhaft! Und recht schwierig zu entfernen. Mit einmal abklopfen ist es nicht getan. Sie haben sich mit ihren kleinen Haftfüßchen bereits angedockt und lassen sich mit einem kleinen Stock nur sehr schwierig wieder entfernen. Sie sind weder tödlich, noch gefährlich, sage ich mantramäßig vor mich hin. Da - schon wieder einer auf meinem Wanderschuh! Hoffentlich hat sich noch keiner unter meine Hosenbeine geschummelt….
Wir balancieren über umgefallene Baumstämme, überqueren kleinere Bäche, kommen an Würgefeigen vorbei, die sich bizarr um die alten Bäume schlingen und machen unterwegs eine kurze Rast.
Nach ca. 2 Stunden kommen wir am Elephant Breeding & Trainingcenter des Chitwan Nationalparks an. Doch auch hier stehen die Elefanten angekettet unter ihren Dächern und wiegen sich hin und her. Das kleine Elefantenbaby allerdings ist noch nicht angekettet, wagt sich allerdings auch nicht sehr weit von seiner Mutter weg. Das ist ihm zu gefährlich.
Der Ranger zeigt uns die „Elefanten-Sandwiches“, große, von Hand in grüne Blätter eingerollte, Leckereien.
Dann setzen wir mit dem Boot wieder auf die andere Seite des Flusses über. Allerdings ohne Bootsführer und wieder in so einem wackeligen Einbaum.
Der Bootsführer schwimmt hinterher und dirigiert mit einer Hand sein Bötchen über den Fluss. Krokodile scheint es hier keine zu geben.
Gegen Mittag sind wir wieder im Hotel undhaben bei schwülen 32 Grad ein wenig Freizeit bis halb 3. Jetzt wäre es zu heiß für großartige Aktionen, meint Pradeep.
Auf dem Weg zu unserem Elefantenritt, kurz vor Sonnenuntergang, machen wir einen Besuch beim Volksstamm der Tharu, die bereits im 6. Jahrhundert aus Indien eingewandert sind und bis heute sehr in ihren Traditionen verhaftet sind. Sie haben keine Schrift und führen ein sehr einfaches Leben zusammen mit ihren Tieren. Die Tochter besitzt allerdings ein Handy und benutzt es wie jeder andere Teenager auf dieser Welt auch. Sie wohnen auch heute noch in Häusern ohne Fenster aus Furcht durch Fenster könnte das Glück das Haus verlassen. Wirklich bemerkenswert ist allerdings ihre Malariaresistenz. Zahlreiche Forscher und Wissenschaftler haben sich bereits an der Enträtselung dieses Phänomens versucht, bisher vergebens.
Der Besuch dieser Tharu-Familie gleicht allerdings irgendwie einem Besuch im Zoo.
Wir stehen im Halbkreis um unseren Reiseführer Pradeep herum, der erklärt und informiert und im Hintergrund sitzt diese Tharu-Familie vor der Haustür ihres Hauses und schaut uns etwas verschreckt und verunsichert an. Ich fühle mich in solchen Situationen immer etwas unwohl und fehl am Platz, wie ein ungebetener Voyeur.
Weiter geht es zurück zum Fluss, zu unserem Elefantenritt, wo auch am frühen Morgen unsere Bootstour gestartet ist.
Auf einer großen Wiese stehen die Dickhäuter. Und es ist jede Menge los. Touristengruppen aus China und Japan sind unterwegs. Und wir.
Über eine Art Hochsitz steigt man auf den Rücken des Elefanten in einen, für drei Personen ausgelegten Art Sattel, der mit einem breiten Bauchgurt gesichert ist. Ein Passagier vorne, schräg rechts, einer auf der Seite und einer hinten. Alle schauen in verschiedene Richtungen und hinter dem Kopf des Elefanten sitzt der Elefantenführer direkt hinter den großen Ohren und dirigiert mit den nackten Füßen seinen Elefanten. Er lenkt ihn durch leichte Tritte mit den Füßen hinter das jeweilige Ohr und gibt ihm damit die Richtung an, die der Elefant einschlagen soll. Da ich vorne, direkt hinter dem Elefantenführer sitze, werfe ich einen kurzen kritischen Blick auf die Stelle an den Ohren, wo die verräterischen Wunden sitzen müssten, die vom brutalen und schmerzhaften Umgang zeugen wenn die Eisenhaken häufig benutzt werden um diese wunderbaren Tiere gefügig zu machen. Es gibt keine offenen Wunden, nur etwas vernarbtes Gewebe. Er wurde also auch so erzogen. Aber der tägliche Umgang seines Führers mit ihm scheint verantwortungsbewusst und nicht brutal zu sein. Ich habe diese offenen, eiternden Wunden schon in Indien gesehen und wurde damals leider erst nach meinem ersten Elefantenritt aufgeklärt. Dass es hier offensichtlich anders zugeht versöhnt mich ein wenig mit diesem Programmpunkt „Elefantenreiten“.
Unser Führer deutet seinem Elefanten mit einer bestimmten Armbewegung an, dass er gerne aufsteigen möchte. Da streckt sein Elefant den Rüssel nach vorne. Er steigt auf den Rüssel. Der Elefant hebt den Rüssel und er läuft auf dem Rüssel entlang bis zum Kopf und setzt sich. Was für eine tolle Art auf einen Elefanten aufzusteigen!
Los geht unsere Tour und zu Beginn ist es eine ziemlich schaukelnde und nicht gerade komfortable Art der Fortbewegung. Träge setzt sich unser Dickhäuter in Bewegung und es verlangt ein wenig Mut sich gleichzeitig festzuhalten und die Kamera startklar zu machen.
Wir durchwaten den Fluss und werden an den Böschungen ganz gehörig durchgeschüttelt, wenn es steil nach unten und auf der anderen Seite wieder herauf geht. Über eine große Lichtung geht es Richtung Wald und es ist eine sehr leise Art der Fortbewegung. Und eine sehr hohe. Ich schätze die Höhe aus der man fallen könnte auf ca. 2 ½ bis 3 Meter.
„Do you speak english ?“ „Yes, Mam´, of course “ . Ich zucke ein wenig zusammen bei dieser Ansprache „Mam“. Das hört sich für meinen Geschmack ein wenig zu sehr nach britischem Empire an. Und ich fühle mich nicht wie „Mam“. Aber es hilft nichts. Er sagt es äußerst höflich, fast ein wenig ehrerbietend, in jedem Satz. Schätze ihn sehr jung ein, vielleicht 17 oder 18, schwer zu sagen. „Is it your elefant? “. Er lacht etwas träumerisch resigniert „Oh no, Mam´“. Falsche Frage. Ein Elefant ist echter Reichtum, wie soll ein einfacher junger Mann wie er so etwas Kostbares besitzen? Ich beeile mich das peinliche Schweigen mit einer weiteren Frage zu überspielen. Also eine Elefantendame, 12 Jahre alt. Den Namen von ihr konnte ich mir nicht merken.
Wir wiegen weiter durch die Landschaft. Kommen in den Wald und schließlich zu einem großen Teich. Er zeigt auf die grüne Wasseroberfläche und wir sehen zwei Köpfe und spitze Ohren aus dem Wasser ragen. Sie bewegen sich. Es erscheint ein kleines Flusspferd an der Oberfläche. Dann ein großes. Das Kleine schwimmt direkt in unsere Richtung und wälzt sich direkt zu unseren Füßen im seichten Wasser des Ufers. Mutter folgt.
Unser Elefant bleibt seelenruhig stehen. Keine Gefahr. Mir wird trotzdem etwas mulmig als auch Mutter Hippo sich aus den Fluten erhebt und direkt auf uns zusteuert. Doch alle bleiben ruhig und keiner fühlt sich irgendwie bedroht. Wir haben einen Logenplatz - erste Reihe! Was für ein Erlebnis!
Irgendwann setzen wir uns wieder in Bewegung. Doch unsere Elefantendame ist ein wenig eigensinnig was die Wegwahl angeht und weigert sich den anderen Elefanten auf dem ausgetretenen Elefanten-Wanderweg zu folgen. Sie bevorzugt den Weg direkt durchs Gebüsch. Unser junger Guide lässt sie gewähren. Wir schlagen uns also durchs Gebüsch und ich verfolge aufmerksam die entgegenkommenden Äste und Zweige. Großes Spinnennetz links voraus im Baum, voll mit großen schwarzen, handtellergroßen Spinnen. Muss mich zur Seite lehnen und ducken um nicht mit dem Kopf und meinen Haaren darin zu landen.
Wir sehen Rehe und zwei Affen-Horden ,Pfützen voller kleiner Frösche und bunte Eisvögel. Und dadurch, dass wir auf dem Elefanten sitzen nehmen sie uns gar nicht als Menschen war.
Einmal stehen wir an einem kleinen Sumpf und unser Elefantenführer möchte ihn mit uns überqueren. Doch unsere Elefantenlady hat irgendetwas Grundlegendes dagegen. Sie bleibt stur stehen. Lässt sich auch mit etwas gezielteren Tritten hinter die Ohren, aufforderndem Rufen und ruhigem Zureden zu überhaupt nichts bewegen. Daneben ein anderer Elefant dem sie ebenfalls überhaupt nicht gut gesonnen scheint. Eine etwas kritische Situation. Zuerst geht ein einzelnes leichtes Zittern durch diesen großen Körper auf dem wir sitzen. Dann noch eines. Auf einmal vibriert dieser ganze riesige Körper. Und wir obendrauf. Er bläst sich auf und gibt kleine Stöhnlaute von sich. Ob er gleich explodiert, denke ich scherzhaft. Irgendwie fühlt es sich so an. Dann trompetet er los. Was für ein irrsinniger, einzigartiges, unbeschreibliches Gefühl! Das macht er ein paar Mal in der nächsten halben Stunde. Jedes Mal wenn ihm der andere Elefant zu nahe kommt. Und jedes Mal kündigt es sich mit dem gleichen Zittern und Vibrieren des gesamten großen Körpers an. Als würde er tief Luft holen um mal grade der ganzen Welt zu sagen was los ist. Unserem Elefantenführer scheint das ein wenig unangenehm zu sein und er grinst ein wenig schief. Wir finden es einfach nur unbeschreiblich!
Zurück über den Fluss sind wir nach ungefähr 2 Stunden wieder an unserem Ausgangspunkt. Als erstes steigt unser Elefantenführer von seiner immer noch eher ungehaltenen Lady ab. Er gibt ihr ein unsichtbares Zeichen und sie hebt den rechten Fuß und knickt das Knie ab. Er schwingt das linke Bein über ihren Kopf und lässt sich an ihrer rechten Seite auf das vorgestreckte Elefantenknie herab bevor er auf den Boden springt. Sieht sehr elegant aus.
Wir dürfen unseren Elefanten mit ganzen Bananen füttern, die er sich mit seinem langen Rüssel aus unseren Händen nimmt und selbst in den Mund steckt. Wir streicheln seine warme und raue, runzelige Haut und schauen in seine kleinen Augen mit den riesigen Wimpern. Wir werden etwas mutiger und kuscheln uns um seinen Rüssel. Was für ein schönes Tier !
Zurück zum Hotel geht es wieder auf der Pritsche eines alten LKW. Wir machen noch einen kleinen Spaziergang um den Bauern bei der Reisernte zuzuschauen. Das Dorfnashorn mit dem wir ja schon am Vortag Bekanntschaft gemacht hatten, hat sich für ein kleines Schläfchen vor unserem Hotel abgelegt. Doch es ist echt. Und es schläft. Keinem, außer uns aufgeregten Touristen, scheint das irgendwie ungewöhnlich.
Dann gibt es wieder ein sehr leckeres nepalesisches Buffet und im Anschluß eine kleine nepalesische Tanzvorführung im Hotel.
21.1o. Chitwan – Lumbini
„Sei glücklich. Nicht gestern, nicht morgen, nur heute“ Buddha
06.00 h Wecken. O7.oo h Koffer vor die Tür. o8.oo h Abfahrt
Mittlerweile haben wir das Frühprogramm verinnerlicht.
Heute haben wir wieder eine ziemlich große Strecke, mit 140 km, vor uns. Den ersten Stopp machen wir in Bharatpur, wo es erstaunlicherweise eine sechsspurige Schnellstraße mitten durchs Dorf gibt, frisch geteert. Vor und hinter dem Städtchen ist der Mahendra- Highway, allerdings die übliche kleine Landstraße. Hier hat man wohl große Pläne.
Der Busfahrer lässt uns raus und wir spazieren die Hauptstraße entlang, an lebhaften Nebenstraßen, vielen Läden und dem großen Fluss vorbei. Am Ufer spielen Kinder im Wasser und eine große Bambus-Schaukel ist aufgebaut. Pradeep erklärt uns, dass diese Schaukeln jedes Jahr zum Dashain-Fest im ganzen Land aufgebaut werden und nur 4 Wochen stehen. Jeder sollte darauf schaukeln und die Füße hoch nehmen. Den Boden verlassen. Damit das Glück auch die Möglichkeit hat davon zu fliegen. Was für ein schöner Gedanke.
Zwar werden die Straßenverhältnisse auf dem Mahendra- oder East-West-Highway, wie er hochtrabend heißt, zunehmend abenteuerlich, aber wir kommen voran. Umrunden 1000 Schlaglöcher, bergauf, bergab und machen später noch einen kleinen Stopp, bei uns würde man sagen, an einem Rastplatz. Rastplatz heisst soviel wie – es gibt offene Hütten an denen man etwas zu essen kaufen kann und vor der Hütte unter Umständen einen Streifen Schotter, auf dem irgendwie geparkt werden kann. Dort stehen wieder die bunten, mit viel Liebe dekorierten LKW´s. Hühner werden in großen Käfigen auf dem Motorrad transportiert. Ein Ambulanz-Wagen ist geparkt. Kinder tollen herum. Ein paar Ziegen liegen faul in der Sonne. Eine Kuh am Straßenrand. In den offenen Hütten, in denen die Familien zu wohnen scheinen, gibt es eine Art Kaminofen aus Lehm in dem alle möglichen Dinge gebacken und auf dem gekocht wird. Eher nicht ratsam für uns hier zu essen, sagt Pradeep.
Etwas verdutzt schaue ich später aus dem Busfenster. Sieht fast aus wie Indien, denke ich.
Diese Verwandlung der Landschaft und vor allem der Dörfer durch die wir fahren hat sich unmerklich in den letzten Stunden vollzogen. Die Dörfer sind sehr viel ärmlicher, es gibt viele Wellblechhütten und provisorische Unterkünfte und das Elend wird irgendwie greifbarer. Wir merken es alle. Willkommen an der Grenze zu Indien.
Wir passieren das große Tor von Lumbini. Checken in unserem Hotel ein und bekommen ein schnelles Mittagessen.
Um 14.3o h geht’s zum großen Besichtigungsprogramm der Tempelstadt.
Lumbini, als Geburtsort von Siddharta Gaudame, später Buddha, hat sich mittlerweile als Touristenziel etabliert, auch wenn die Inder den Geburtsort Buddhas Jahrhunderte für sich reklamiert hatten. Das Pilgerzentrum mit seinem Friedenspark wurde im Jahr 1997 von der UNESCO als Weltkulturerbe ernannt. Und sie haben große Pläne. Es ist ein internationaler Flughafen geplant und im Internationalen Friedenspark soll jede Nation, in der es Buddhisten gibt, einen eigenen Tempel bauen.
Irgendwann soll es hier, auf einem Areal, was 5x5 km groß ist, über 80 Tempel geben. Ein paar sind schon fertig, ein paar im Bau, und es gibt noch viele freie Grundstücke in diesem großen Friedenspark.
Wir starten unser Besichtigungsprogramm mit der Worldpeace Pagoda der Japaner, einem tollen, schneeweißen Bau mit goldenen Buddha-Figuren, der sehr den nepalesischen Stupas ähnelt.
Da die Entfernungen zwischen den einzelnen, schon für Besucher zugänglichen, Tempeln sehr groß sind legen wir einen Großteil der Strecken mit Elektro-Rischkas zurück.
Nächste Station ist der deutsche buddhistische Tempel. Für meinen Geschmack etwas zu kitschig, aber sie haben sich nicht lumpen lassen. Umringt von einem großen Garten in dem die Lebensstationen von Siddharta vor seiner Erleuchtung und dann später als Buddha mit plastischen bunten Figuren nachgestellt sind, erhebt sich ein großer Bau mit unzähligen Wand- und aufwendigen Deckenmalereien.
Pradeep ist in seinem Element. Detailliert versucht er uns alle Stationen in Buddhas Leben anschaulich zu erklären. Besonders der Innenraum des deutschen Tempels ist wirklich aufwendig bemalt und sieht beeindruckend aus.
Weiter geht es zum Nepal-Tempel, der uns mit seiner Schlichtheit fasziniert. Hier gibt es nur eine einzige große goldene Buddha-Statue im Inneren und die Gläubigen knien andächtig davor.
Der österreichisch-schweizerischen Tempel ist mit Häubchen ausgestattet, die sehr an Sissys Krone erinnern, oder an eine Kuhglocke, in Gold und wahlweise in Silbern. Sehr amüsant, wie hier nationale Sonderheiten umgesetzt wurden.
Nun geht es zum zentralen Heiligtum der Buddhisten, zu Buddhas Geburtsort. Wir passieren eine goldene Kinderstatue, die Buddha als Kind darstellen soll und nähern uns, auf einer sehr prachtvoll und für viele Gläubige ausgelegten Straße, dem Tempel. Zu unserer Rechten nähert sich die glutrote Sonne gerade dekorativ dem Horizont.
Wir müssen unsere Schuhe ausziehen und in einer Baracke deponieren. Nur barfuß oder auf Socken geht es weiter.
„Welcome to Lumbini – The Sacred Birthplace of Lord Sakyamuni Buddha, World Cultural Heritage, Nepal“ eine rote Leuchtreklame läuft als Band über dem Eingang. Dahinter erstreckt sich eine große Parkanlage.
Unter vereinzelten Bäumen sitzen buddhistische Priester, traditionell in orange oder dunkelrot gekleidet und unterrichten die Gläubigen. Sie beten gemeinsam oder lauschen seinen Erklärungen.
Dieser Platz hier ist der älteste Ort an dem man jemals Überreste eines buddhistischen Tempels gefunden hat. Hier gibt es eine Art Geburtsplatte, die ca. aus dem Jahr 250 v. Christus stammt und die besagt, dass hier der Geburtsort Buddhas ist, der hier vor 300 Jahren geboren wurde. Diese Geburtsplatte wurde von einem damaligen Herrscher und gläubigen Buddhisten gespendet. (Historiker vermuten dass Buddha ca. 5-6 Jahrhunderte vor Christus gelebt hat). Es muss viele Jahrhunderte lang hier einen buddhistischen Tempel gegeben haben bevor dieser aus unbekannten Gründen verfiel und erst Ende des 19. Jahrhunderts wiederentdeckt wurde.
Erst im Jahre 2013 haben Archäologen dann unter einer Reihe von alten Tempelbauten tatsächlich einen aus dem 6.Jahrhundert vor Christus stammenden Schrein gefunden. Die archäologische Sensation war perfekt und hat selbst die ärgsten indischen Zweifler am nepalesischen Geburtsort Buddhas verstummen lassen. Immerhin gehörte der Ort Lumbini geographisch viele Jahrhunderte zu Indien.
Vor dem weißen flachen Gebäude hat sich eine sehr lange Schlange Gläubiger gebildet. Wir umrunden dieses Gebäude, sehen Ruinen, alte Mauerreste die Umrisse eines zerfallenen Tempels und gelangen zum heiligen Bodhi-Baum. Die Sage erzählt, dass Buddha, oder damals noch Prinz Siddharta, unter einem Bodhi-Baum seine Erleuchtung hatte. Deshalb hat erstens jedes noch so kleine Dorf einen eigenen Bodhi-Baum und zweitens sind sie natürlich heilig. Faltet man ihr Blatt zur Hälfte und klappt es um, erhält man die Umrisse einer Stupa.
Dieser Bodhi-Baum hier in Lumbini ist schon viele hundert Jahre alt und über und über mit den bunten Gebetsfahnen geschmückt. An seinem Stamm sind viele Öllichter auf einem Altar entzündet.
Unter dem Bohi-Baum sitzen heilige Männer in gelb, orange und rot und meditieren. Eine Gruppe ganz in weiß gekleideter Gläubigen aus Südkorea stehen andächtig am Wasserbecken und singen. Irgendwie herrscht hier eine sehr spirituelle Atmosphäre und ich hätte mir sehr gerne ein ruhiges Plätzchen am Rande des heiligen Bodhi-Baums gesucht und den Ort ein wenig in Ruhe genossen.
Die Sonne geht unter und die Schlange vor dem Heiligtum wird ein wenig kürzer. Wir stellen uns an und gelangen recht schnell in den Innenraum. Es ist eine überdachte Ausgrabungsstätte und auf Holzwegen werden die Gläubigen zum ca. 2600 Jahre alten Geburtsstein von Buddha geleitet. Eine kleine Besucherplattform befindet sich daneben. Hierhin können wir ohne lange Wartezeit gelangen. Die Menschen sind tief bewegt, sind sie endlich bis zum Geburtsstein vorgedrungen. Knien sich hin, küssen den Boden, spenden Geldscheine in eine überfüllte Donation-Box und murmeln Gebete. Vereinzelt fließen Tränen vor Ergriffenheit und tiefem Glauben. Das heiligste Heiligtum des Buddhismus, Buddha hätte diesen Götzenkult wohl eher abgelehnt.
Tief bewegt verlassen wir diesen Ort des tiefen Glaubens wieder und gehen auf die Suche nach unseren Schuhen während es dunkel wird.
Mit vielen hunderten anderer Besucher laufen wir im Dunkeln zur nächsten Verkehrsstraße, wo sich auch unser Hotel befindet.
22.10. Lumbini – Tansen
Von einem neuen abenteuerlichen Tag auf den Straßen des Landes
Unsere erste Busfahrt dauert nur kurz, denn Pradeep möchte uns noch ein wenig Lokalkolorit vorführen. Wir steigen kurz hinter Lumbini aus und wandern ein Stück entlang der großen Ausfallstraße Richtung Norden. Es ist sehr ärmlich hier. Die Menschen wohnen in einfachen Bretterhütten zusammen mit ihren mageren Tieren. Und wir spazieren daran vorbei und gaffen. Satt gegessen, in weichen Betten geschlafen, übergewichtig, mit teuren Handys und Kameras bewaffnet. „Nein, wie idyllisch einfach und ursprünglich ist das hier!“ Ich habe meine Probleme mit diesen Zoo-Besuchen, irgendwie fühlt es sich total falsch an. Auch wenn unser Pradeep da eine andere Meinung und Auffassung hat und es dem ein oder anderen unserer Gruppe völlig egal ist.
Weiter geht unsere Busfahrt auf dem Sidharta Highway, der wieder nur eine einfache Landstraße ist. Und sie wird heute noch abenteuerlicher. Es geht in die Berge! „ Das sind Hügel“ sagt Pradeep „ Bergen haben weiße Spitzen“.
An der ersten Hängebrücke über dieser tiefen Schlucht, an deren Hängen die Straße in den Fels geschlagen ist, machen wir halt und dürfen sie ausprobieren. Sie ist aus Stahlseilen und ganz schön wackelig auf den ersten Schritten. Aber schließlich trauen wir uns alle drüber und auch wieder zurück. Es überlebt jeder.
Pradeep hält kleine Wanderungen wohl für unabdingbar, egal wo. Damit wir so richtig das nepalesische Leben spüren können. Und so lässt er uns mal wieder an irgendeinem Straßenabschnitt mitten in den Bergen aussteigen und ein wenig wandern. Entlang der vielbefahrenen Straße, der einzigen Verkehrsader vom Süden in den Norden. Zusammen mit unzähligen Motorrad-Fahrern, vereinzelten PKW´s, vollbeladenen Reisebussen und den bunten LKWs. Ungefährlich ist das nicht. Aber Fußgänger sind hier normale Verkehrsteilnehmer und verlangen ein wenig Rücksicht vom Rest. Manchmal sind es auch „laufende Büsche“. Menschen mit einem riesigen Bündel Zweigen & Ästen auf dem Rücken, die sich am Straßenrand entlang schlängeln und versuchen nicht überfahren zu werden. Die Straße ist eng und schmal. An der einen Seite von der Felswand begrenzt, an der anderen Seite ein steilabfallender Hang bis runter zum Fluss. In den Kurven manchmal von einem kleinen Betonmäuerchen begrenzt.
Wir laufen weiter an dieser Straße entlang. Das macht weder Spaß noch ist es schön. Es ist gefährlich! Aber das sieht unser nepalesischer Guide ganz anders. Das ist halt der Alltag hier. Irgendwann gelangen wir dann an eine Ansammlung von Häusern. Hier ist es eine Art Raststätte. Am Fahrbahnrand haben sich Händler angesiedelt, die auf offener Flamme (und offenen Hütten) Essen anbieten. Abends wird einfach ein Rolltor herunter gelassen. Auf einem selbstgebauten Lehm-Herd wird gekocht, gebacken und frittiert. Pradeep geht zu einem ganz bestimmten Stand und kauft für uns Linsenbrot und frittiertes Gemüse. „Hier ist alles frisch“ sagt er und wir greifen bereitwillig zu. Und es schmeckt sehr lecker. Und sieht genauso aus.
Die Fahrt geht weiter auf diesem kleinen Gebirgssträßchen, was da in die steilen Felswände gehauen ist. Stau. Wir kriechen vorwärts. Und kommen an die Stelle an der sich leider die eine Fahrbahnseite ins Tal verabschiedet hat. Die Spur fehlt. Es gibt nur noch die eine Spur, die direkt an der Felswand verläuft. Die muss jetzt für beide Richtungen genügen. Keine Absperrungen, keine Hinweisschilder, keine Aufregung. Es geht doch auch so. Es dauert nur ein wenig länger. Bei uns zu Hause wäre die Straße wohl komplett für mehrere Monate gesperrt worden. Unbefahrbar. Lebensgefährlich. Betreten verboten.
Aber die andere Spur ist doch noch befahrbar. Also keine Aufregung.
Wenig später, in einer der zahllosen engen Kurven, ein entgegenkommender Bus passiert uns gerade, gibt es einen ziemlichen Knall. Was war das?
Vollbremsung. Der Verkehr steht still. Nichts geht mehr. Unser Busfahrer steigt aus. Der andere Bus hat ebenfalls gehalten und der Fahrer steigt aus.
Irgendetwas ist passiert. Es entsteht, unter der Einmischung zahlreicher anderer Verkehrsteilnehmer, ein riesen Palaver. Wir beobachten das interessiert aus dem hinteren Busfenster. Durch die Erschütterungen der Fahrt in den letzten Stunden ist bei unserem Bus vorne eine Gepäckklappe aufgegangen und hat den entgegenkommenden Bus touchiert. Wer ist schuld? Wer bezahlt? Und vor allem welche Höhe? Eine geschlagene Stunde dauert die Diskussion. Steht der Verkehr auf dieser Straße still. Ein paar mutigen Motorradfahrern gelingt es sich durch die beiden Bussen durchzuschlängeln und ihre Fahrt fortzusetzen. Unser Reiseleiter diskutiert fleißig mit. Wir sitzen im Bus und warten. Irgendwann geht es dann weiter. Man hat die Polizei benachrichtigt, weil man sich nicht über die Höhe der Ausgleichszahlung einigen konnte (wir waren schuld). Aber der Polizeiwagen aus dem nahen Tansen kommt natürlich nicht durch den Stau.
Irgendwann später kommt er uns dann entgegen. Es folgt ein kurzer Stopp und unser Busfahrer, der Reiseleiter und die Polizei vereinbaren, dass alle zur Polizeistation in Tansen fahren und dort den Unfall protokollieren und aufklären.
Tansen liegt auf einem Hügel (Berg darf ich ja nicht sagen) mit jeder Menge kleiner Gassen auf stolzen 1370 m Höhe. Die Häuser schmiegen sich an die Himalaya-abgewandte Seite des Hügels bis hinauf zum Kamm. Mitten im Städtchen, auf dieser kleinen Hauptstraße stecken wir mit unserem Bus erneut fest. Ein großer LKW kommt uns entgegen und sieht keine Notwendigkeit nachzugeben. Wie zwei große Bullen stehen sich die Fahrzeuge gegenüber. Es gibt kein vor und zurück. Oder besser gesagt, es gäbe ein vor und/oder zurück. Aber der LKW sieht keine Veranlassung rückwärts in eine Seitenstraße einzubiegen und uns vorbeizulassen. Die Minuten verstreichen. Keine Reaktion der beiden Kontrahenten. Unser Bus kann nicht zurück und der LKW will nicht zurück. Die Zeit verrinnt. Man hat halt Zeit in Nepal. Nach weiteren 20 Minuten fragt uns Pradeep ob wir lieber laufen wollten, das würde noch dauern. Wir willigen gerne ein nach diesem langen Tag im Bus und steigen aus.
Irgendwann wird der Bus schon mit unserem Gepäck am Hotel ankommen. Wir machen uns zu Fuß auf den Weg. Quer durch Tansen. Und unser Hotel liegt oben auf dem Bergkamm. Und es ist noch ganz schön weit und verdammt steil die kleine Bergstraße dort hoch.
Auf dem Weg zum Bergkamm und unserer Herberge begleitet uns die Hoffnung auf einen unvergleichlichen ersten Blick auf den Himalaya. Der angeblich direkt dahinter liegen soll. Oben angekommen, völlig außer Atem, folgt die Ernüchterung. Kein Himalaya. Die bereits vertraute Wolkenbank begrüßt uns freudestrahlend. Da bin ich wieder. Ob es den Himalaya überhaupt gibt oder ist er nur ein Mythos?
Wir checken in unserem Hotel Srinagar ein und machen uns frisch. Es liegt tatsächlich in exponierter Lage direkt auf dem Bergkamm.
Um 15.00 h unternehmen wir eine kleine Wanderung entlang des Bergkamms durch einen kleinen Wald mit Aussichtsturm und wunderschönem Blick auf Tansen und das Hinterland gen Süden. Der Norden ist weiterhin in Wolken gehüllt.
Wir wandern durch die Ausläufer des kleinen Ortes und einer der vielen herumlaufenden Straßenhunde beschließt sich uns anzuschließen. Er läuft bellend vor uns her, kilometerweit mit uns und verteidigt uns gegenüber der vielen anderen herumlungernden Hunde. Es ist zum Schmunzeln. Habe auch nicht das Gefühl dass uns die Tollwut-Impfung irgendwie weiter gebracht hat.
Wir laufen an Vorgärten und Hinterhöfen vorbei, genießen den zwar etwas dunstigen aber sehr schönen Blick auf das Hinterland und sehen Alltagsszenen des nepalesischen Lebens. Schließlich kommen wir an einem kleinen Weg. Dort stehen zwei Frauen in ihren wunderschönen farbenfrohen Saris und vor ihnen auf dem Weg liegt ein großes aus Lotus-Blättern gefaltetes Tablett mit einem kleinen Haufen Reis und einzelnen kleinen Schüsselchen voller Blumen und Samen. Pradeep klärt uns auf.
Mit 10 Monaten bekommt ein nepalesisches Baby das erste Mal Reis zu essen. Das ist eine ganz besondere Zeremonie und ein wichtiges Ereignis im Leben des kleinen Kindes. Dafür bereiten Mutter und andere weibliche Verwandte solch ein schönes Lotus-Tablett vor auf dem dann der Reis gereicht wird. Was für ein schöner Brauch!
Zum Sonnenuntergang stehen wir wieder auf dem Bergkamm vor unserem Hotel und hoffen, dass sich ein kleiner Blick auf den Himalaya ergibt – außer gletscherkaltem Wind und Wolken hat die Aussicht aber nichts zu bieten.
Abendessen gibt es im Hotel Srinagar. Draußen ist es empfindlich kalt und windig geworden, sobald die Sonne untergegangen ist. Und der kalte Wind bläst direkt vom Himalaya kommend über unseren Bergkamm, auf dem so exponiert das Hotel liegt.
23.1o. Tansen – Pokkhara
Von einem Bus voller Gesegneter, einem Blick auf den Himalaya und von Klangschalen
Um o5.5o h klingelt der Wecker. Pradeep hat das veranlasst und wir stehen etwas verschlafen auf, werfen uns in warme Klamotten und hoffen auf einen sensationellen Sonnenaufgang am Himalaya vor dem Hotel. Was soll ich sagen – gleiche Aussicht wie gestern. Wolkenwand.
Um o8.oo h starten wir zu Fuß unsere weitere Erkundung von Tansen.
Wir besuchen den Vishnu-Tempel der Hindus (am Eingang Schuhe aus!) und Pradeep veranlasst, dass wir alle vorsorglich mal gesegnet werden. Sicher ist sicher. Die Hindus sind da sehr tolerant. Sie segnen alle und jeden der möchte, egal welcher Glaubensrichtung (das sollte man mal den Katholiken vorschlagen…).
Vishnu ist eine der drei wichtigen Gestalten im Hinduismus und wird uns noch häufiger begegnen. Es sind die drei Aspekte des Göttlichen. Brahma ist für die Schöpfung zuständig, Vishnu für die Erhaltung im Sinne einer gerechten kosmologischen und menschlichen Ordnung, Shiva dagegen zerstört und löst auf, um einen Neuanfang zu ermöglichen für den dann wieder Brahma mit der Schöpfung zuständig ist.
Der Priester des Vishnu-Tempels sitzt etwas erhöht in einer Türöffnung des dreigeschossigen Tempels. Man/frau stellt sich vor ihn, legt die Handflächen zusammen und beugt sich nach vorne. Der Priester hat eine Schüssel mit zerstoßenen Blütenblättern und irgendeinem roten Blütensaft vor sich auf dem Schoß, tunkt den Zeigefinger hinein und malt Frau einen roten Punkt auf die Stirn. Man bedankt und verbeugt sich erneut - „Namaste“ und wendet sich zur Seite wo man zur Bezahlung einen Schein in einen großen Glaskasten steckt.
Schönes und irgendwie eigenartiges Gefühl mit einem roten Punkt auf der Stirn durch die Gegend zu laufen.
Na und bei diesen Verkehrsverhältnissen und unseren gestrigen Erlebnissen auf den Highways Nepals kann es auf unserer Reise heute nach Pokhara bestimmt nicht schaden mit einem Bus voller Gesegneter unterwegs zu sein.
Unterwegs auf unserem Bummel durchs steile Tansen kaufen wir Obst und Gebäck in einer ausgezeichneten Bäckerei, um die Zeit für ein ausführliches Mittagessen zu sparen.
An großen öffentlichen, gemauerten Brunnen sehen wir die Menschen beim Waschen. Sie waschen sich selbst, ihre Kleider, Hosen und Jacken, Mäntel und Schuhe und füllen ihre mitgebrachten Wasser-Kanister. Es gibt diese Brunnen wahlweise in klein mit 2-3 Wasserhähnen, aber auch in groß wo es ausreichend Platz für 20 Personen gibt die ihre Sachen waschen.
Heute sind wir auf unserer ersten Etappe auf einer kleinen Nebenstraße, der Tansen-Ramdi-Road unterwegs, auf der wir mal zur Abwechslung gefahrlos ein paar Kilometer am Straßenrand entlang laufen können, ohne um unser Leben zu fürchten. Ab und zu kommt einmal ein (überfüllter) Linienbus vorbei. Wir wandern entlang der kleinen asphaltierten Straße mit wunderbaren, sonnigen Ausblicken auf sattgrüne Reisfelder, Wiesen, Täler und kleine Weiler.
In Ramdi machen wir noch eine kleine zweite Wanderung und überqueren den großen Kali Gandaki River auf einer alten Stahlbrücke, an dessen Ufer wieder mal gerade eine Leichenverbrennung zelebriert wird. Da ist dieses merkwürdige zeremonielle schon wieder. Aber es treibt mir keinen kalten Schauer mehr über den Rücken. Pradeep erlaubt uns allerdings nicht hinunter zum Fluss zu gehen und der Zeremonie aus der Nähe beizuwohnen. Verbrennungen sind nun mal reine Männersache und auch bei weiblichen Touristinnen wird da keine Ausnahme gemacht. Wir betrachten es von der Brücke aus fasziniert.
Bis Pokhara ist es noch weit und die Fahrt ist wirklich anstrengend und abenteuerlich . Es sind zwar nur 120 km aber wir kommen ziemlich erledigt nach 5 Stunden reiner Fahrzeit erst gegen 4 Uhr nachmittags in Pokhara an. Das sind 20 km pro Stunde – na ja, immerhin. Irgendwann angekommen.
Wir sind ausgezeichnet im Shangri La Village untergebracht, einem schönen 4-Sterne-Hotel mit großer Gartenanlage und kleinen zweistöckigen Gebäuden in denen die Zimmer verteilt liegen. Beziehen unser Zimmer, ziehen die Vorhänge an der Balkontür zur Seite und halten den Atem an. Da ist er – der Himalaya! Wir haben in der oberen Etage ein Zimmer mit Himalaya-Blick und können unser Glück gar nicht fassen. Die erste halbe Stunde stehen wir völlig fasziniert auf dem Balkon.
Allerdings gibt es große Wolkenfelder, die entlang des Kamms wandern und binnen Minuten ganze Gebirgszüge wieder verschwinden und neue auftauchen lassen. Das ist also das Annapurna- Massiv.
Um kurz nach 5 nehmen wir einen Shuttlebus des Hotels ins Stadtzentrum – 1000 Rupien , ca. 10,- EUR für 8 Personen, das ist durchaus OK.
Wir haben heute kein Programm mehr und auch zum Abendessen frei. Um 9.00 h soll uns der Fahrer wieder abholen. Auf der Fahrt sehen wir einen märchenhaften Sonnenuntergang. Die Annapurnas sind in ein zartes Rosa getaucht.
In downtown Pokhara angekommen, kommen wir genau 50 Meter weit, bevor unserem weiteren Bummel ein Klangschalengeschäft den Weg versperrt. Ein Spezialgeschäft nur für Klangschalen wie es scheint. Verzückt betreten die Damen unserer kleinen Reisegruppe den Laden. Ihr Interesse ist unübersehbar und sie arbeiten sich weiter in den hinteren Teil des sehr ordentlichen und hellen Ladens vor. Fasziniert werden die hunderte von Klangschalen aller Art und Größe und Verzierungen begutachtet, bevor sie tatsächlich das Interesse des Inhaber des Klangschalenfachgeschäfts auf sich ziehen. Dafür reicht die kleine Verkäuferin hinter dem Tresen, am Anfang des Ladens, nicht. Er bittet uns erfreut in den speziellen Klangschalenraum und spricht sehr passabel englisch. Nun beginnt eine große Theater-Aufführung. Er füllt Wasser in eine große Klangschale und reibt mit einem Holzklöppel über die Ränder der Schale, woraufhin das Wasser beginnt zu vibrieren und zu sprudeln. Wir sind verblüfft. Das Interesse ist groß und unübersehbar. Er hat uns an der Angel. Klangschale ist nicht gleich Klangschale. Für jeden gibt es eine passende Klangschale und völlig Unpassende, doziert er. Er nimmt eine Beliebige aus seinem überbordenden Regal und reibt ihren Rand mit dem Klöpel. Der charakteristische Ton erklingt. Man möge die Augen schließen und ganz auf den Klang hören. Er führt die Schale am Kopf entlang zu den Ohren und fragt ob der Ton angenehm ist. Legt die klingende Schale auf ausgestreckte Handflächen und sucht nach positiven oder negativen Schwingungen. Führt die vibrierende Schale entlang der Wirbelsäule (der Kaufwilligen) und vergleicht sie mit einer Anderen. Manche verbreiten angenehme Schwingungen, manche sind tatsächlich eher unangenehm und aufdringlich. Diese Vorführungen ufern auch zeitlich total aus, muss doch für jede Kaufwillige eine passende Schale gefunden werden. Das Aussehen ist mittlerweile eher zweitrangig. Auf die „Vibrations“ kommt es an
Nach gefühlten Stunden und mittlerweile umfassendem Klangschalenwissen hat nun jeder seine passende Klangschale mit den passenden Schwingungen zur Persönlichkeit. Jetzt geht es an die Preisverhandlungen. Und die werden hart. Er hat sich viel Mühe gegeben und erwartet nun volle und ausreichende Bezahlung. Bei der Vielzahl der beabsichtigten Kaufverträge verhandeln wir entsprechend hart. Verzweiflung macht sich breit. Er ist ein harter Verhandler. „Ihr seid gerade Teilnehmer eines Theaterstückes“ versuche ich die Mädels für diese harte Diskussion zu erwärmen.
Da gehört dazu dass sowohl der Händler als auch der potentielle Käufer vorübergehend vom Kauf zurück treten, sich dann besinnen und wieder einen kleinen weiteren Schritt aufeinander zugehen. Bis nachher alle Parteien ein einigermaßen zufriedenstellendes Ergebnis erzielt haben
oder das zumindest glauben. Irgendwann sind wir wenigstens mit den 4 großen Klangschalen bei einem einheitlichen Preis, der um die hundert Euro liegt. Alle werden verpackt, noch der passende Untersetzer herausgesucht, ein Klöppel hinzugefügt, ein kleines Büchlein zum Gebrauch hinzugefügt und strahlend der Käuferin übergeben. Bezahlt wird wahlweise in Euro, US-Dollar oder nepalesischen Rupien. Die Scheine wandern ungeprüft in eine separate Schublade.
Shoppingzeit ist jetzt vorbei. Wir gehen in ein sehr nettes Lokal essen und lassen uns auf der Terrasse in einer Sofalounge nieder. Treiben den Kellner in die Verzweiflung und bestellen wieder, wie schon in Kathmandu, die nepalesische Spezialitäten-Karte hoch und runter. Der Tisch reicht kaum für die vielen kleinen Leckereien, die wir geliefert bekommen.
24.10. Pokhara
Von einem märchenhaften Sonnenaufgang, Snickers, Cola und ungezählten Steinstufen
Habe den Wecker auf o5.45 h gestellt. Programmpunkt „Sonnenaufgang am Himalaya“. Wir haben das perfekte Zimmer mit herrlichem Blick vom Balkon auf das gesamte Annapurna –Massiv.
Und heute morgen haben wir Glück. Endlich. Es ist wolkenlos.
Die Sonne ist noch gar nicht zu sehen im Osten am Horizont. Es dämmert. Zuerst färben sich die höchsten Spitzen der Achttausender im Osten rosa.
Das sind die Spitzen der Annapurna II (7939 m) und Annapurna IV (7525 m). Dann weiter im Westen, das hohe breite Massiv der Annapurna I ( 8091m) und schließlich der spitze Gipfel des nahen Machhapuchhare oder Fishtail mit 6993m Höhe. Sie sind in ein intensives, rosafarbenes Licht getaucht. Es wandert die Berghänge hinab bis der gesamte Gebirgszug erleuchtet ist und wir im Tal immer noch im tiefen Schatten liegen.
Irgendwann sehen wir auch hier im Tal von Pokhara die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne im Osten. Lange nachdem die ersten Gipfel angestrahlt waren. Ich bin zutiefst beeindruckt und ergriffen. Ganz großes Kino was Mutter Natur da auffährt.
Sonnenaufgang am Himalaya – bekommt bei Tripadvisor 5 Sterne.
Nach einem sehr ordentlichen und umfangreichen Frühstück sind wir das erste Mal in voller Wandermontur, um o8.oo h ist Abfahrt. Ich habe meine dicken Wanderstiefel an und den schweren Rucksack mit der Fotoausrüstung dabei, T-Shirt zum wechseln und 2 Liter Wasser. Das muss reichen.
Der Himalaya meint es heute morgen gut mit uns, die Ausblicke entlang unserer Fahrt nach Phedi sind spektakulär und kein Wölkchen verschleiert das imposante Gebirge. Kurzer Fotostopp am Seti Gandaki River vor der spektakulären Himalaya-Kulisse.
Gegen 9.00 h sind wir an unserem Ausgangspunkt angekommen und starten unseren ersten Hike. Freudige Erwartung.
Der Einstieg von der Straße erfolgt über steile Steinstufen nahe Phedi auf ca. 1100 m Höhe. Nach 100 unterschiedlich hohen Steinstufen, die in den Fels gehauen sind, ist die erste Euphorie verflogen. Nehmen diese fürchterlichen Treppenstufen denn niemals ein Ende? Nach 10.000 Steinstufen und ebenso vielen Schweißperlen wird die Landschaft langsam lieblicher und nicht mehr ganz so steil. Über blühende Wiesen, durch kleine Dörfer und immer wieder diese nicht enden wollenden steilen Steinstufen.
Um ½ 1 , über 3 Stunden nach unserem Start unten an der Straße, gönnt Pradeep uns unsere erste längere Pause. Nun, 15 Minuten sind wohl genug. Wünsche mir nur noch ein Snickers und eine Cola. Irgendetwas mit Zucker. Das ist alles was noch helfen könnte. Und das Wunder geschieht. In einem der kleinen Dörfer, die wir durchwandern, gibt es eine kleine Bude. Und die verkauft genau das. Snickers und Cola. Bin selig. Ich glaube das hat noch nie so gut geschmeckt.
Weiter geht es. Steinstufen, kleine Wege durch kleine Dörfer, tolle Blicke aufs Tal, herrlicher Sonnenschein. Irgendwann sind wir dann am Ziel, am Australian Basecamp, auf 2055 Meter Höhe. Versprochen wurde ein spektakulärer Blick auf die Annapurnas. Was soll ich sagen? Sie sind mittlerweile von Wolken verhüllt, nicht mal eine kleine Bergspitze lässt sich blicken. Nein, ich bin nicht sehr enttäuscht. Ich bin unendlich stolz auf mich, dass ich den Weg hier hoch geschafft habe.
Das Australia Basecamp besteht aus einer großen Wiese, wohl eine Möglichkeit zum Campen, ein paar kleinen Pensionen und einem Restaurant. Wir sinken dankbar auf die Sitzbänke im Freien und bestellen etwas zu essen. Es gibt nepalesische Suppe oder Kartoffeln mit Käse.
Später steigen wir auf einer anderen Route wieder bis auf die halbe Höhe hinab. Aber auch der Abstieg ist eher anstrengend. Man kann den Blick kaum von den steilen Treppenstufen heben, denn dann läuft man Gefahr zu fallen. Eine Herde Bergziegen kommt uns mit Führer entgegen. Wir machen bereitwillig Platz. Diese Route, die wir absteigen scheint deutlich frequentierter zu sein als die andere Route. Häufig kommen uns Sherpas mit schwerem Gepäck auf dem Rücken entgegen – junge, kräftige Männer mit schweren Reisetaschen und Koffern auf dem Rücken. In Turnschuhen, manche in Schlappen und sehen auch nicht ansatzweise angestrengt aus. Ihnen folgen mit großem Abstand hochrote Japaner oder Chinesen und quälen sich den Berg hinauf.
Gegen 4 Uhr nimmt uns unser Bus auf halber Höhe wieder auf und bringt uns zurück nach Pokhara zum Hotel. Bin ziemlich erledigt.
Um ½ 7 nehmen wir wieder einen Shuttle in die Stadt und gehen noch etwas in einem anderen offenen Dachrestaurant essen.
25.1o. Pokhara
Von 8-Tausendern, einer Bootsfahrt und Reisfeldern
Wenn man ein Bett mit Himalaya-Blick hat muss man morgens nur die Vorhänge aufziehen und genießt ein ganz umwerfendes Panorama. Ausgezeichneter Start in den Tag.
O8.oo h ist Abfahrt zu unserer nächsten Wanderung. Unterwegs kaufen wir tatsächlich bei einer „German Bakery“ ein wenig Verpflegung, sehr leckere Nuss- und Müsli-Kekse, die hoffentlich auch unterwegs genug Energie geben. Es kann ja nicht überall Snickers geben. Auf besonderen Wunsch werden noch Mandarinen und Bananen an einem Straßenstand gekauft – kann man wunderbar portionieren und schälen und sind damit essenstechnisch ideal für unterwegs. Außerdem schmecken diese kleinen Bananen zuckersüß und sehr saftig.
Der Blick auf die Berge nimmt schon auf unserer ca. 1 stündigen Fahrt entlang der Himalaya-Gebirgskette überhaupt kein Ende. Allerdings gehört ein wenig Glück dazu die Berge ohne die allgegenwärtigen Strommasten, Bäume oder Häuser aus dem fahrenden Bus heraus zu fotografieren. Wer weiß wann wir wieder so einen schönen Blick auf dieses imposante Gebirge haben. Von hier aus sieht man nun auch den 8163 m hohen Manaslu, immerhin den achthöchsten Berg der Welt.
Der Startpunkt unserer heutigen Wanderung ist der Begnas Lake und wir steigen bei immer noch spektakulärem Himalaya-Blick und strahlend blauem Himmel aus unserem Bus aus und in kleine bunte Kanus um, die uns über den Begnas Lake bringen.
Gemächlich werden wir immer zu viert in einem Boot ans andere Ende des Sees gerudert. Es geht sehr beschaulich dabei zu und wir genießen die ungewöhnlich klare Bergsicht.
Unser Hike heute ist deutlich entspannter als gestern.
Es geht über kleine steinige Wege, durch saftige Wiesen, an sattgrünen Reisfeldern vorbei, durch kleine Weiler und Siedlungen. Die Sonne knallt ziemlich und es wird ordentlich heiß. Wir wandern hier sehr geschützt auf der Himalaya-abgewandten Seite der „Vor-Gebirge“ und hier bläst kein kalter Gletscherwind.
Irgendwann sind wir oben und haben einen wunderschönen Blick auf das Umland, leider, leider, aber…. Unser Freund die Wolkenwand hat es auch heute wieder geschafft uns unsere Gipfelfreuden zu nehmen.
Unser Rückweg führt uns grossteils durch dichte Reisfelder, auf wackeligen Steinmauern entlang, durch sumpfige Ränder der Reisfelder mit immer wechselnden Blicken auf die umliegenden kleinen Seen und Täler. Das Wetter ist, wie eigentlich seit Beginn unserer Reise, ausnehmend gut. Die Sonne strahlt von einem wolkenlosen Himmel.
Nur der Himalaya macht sein eigenes Wetter, mit seinen unermesslichen Schneefeldern und Gletschern. Bereits im Laufe des Vormittags verdunstet hier durch die warme Sonne so viel Feuchtigkeit dass sich umgehend ein dichtes Wolkenband bildet was bis zum Sonnenuntergang die Sicht auf diese erhabenen Berge versperrt. Das gesamte Vorland liegt dagegen die ganze Zeit im klaren Sonnenschein.
Gegen 4 sind wir zurück im Hotel Shangri La in Pokhara. Und aus weiser Voraussicht habe ich mir für heute Nachmittag eine Massage gebucht.
Um 16.3o h gibt es die gebuchte “Trecker-Massage“ im Spa des Hotels.
Meine Masseurin macht ihre Sache sehr gut, auch wenn ich anfangs denke sie macht mich kaputt. So verspannt und angestrengt sind meine Beinmuskeln und meine Schulter-Muskeln vom schweren Rucksack.
26.10. Pokhara- Bandipur
Von starken Frauen in einem einmaligen Dorf, unserer Höhle und einem märchenhaften Sonnenuntergang
O6.oo h Fulminanter Sonnenaufgang!
Als wollten uns die Annapurnas gebührend verabschieden, strahlen die Berggipfel der 7 und 8-Tausender in kitschigstem rosarot, kein Wölkchen oder Dunst versperrt die Sicht. Was für ein Start in den Tag.
O8.oo h ist wie üblich Abfahrt. Daran haben wir uns mittlerweile gewöhnt.
Zuerst geht es nach Pokhara in die Stadt, zum Phewa-See, auf dem wir eine kleine Bootstour unternehmen wollen.
Das Wetter ist perfekt. Die weißen Gipfel des Himalaya spiegeln sich im spiegelglatten See. Wir gleiten im frühen Morgenlicht über die ruhige Wasseroberfläche und nähern uns dem Hindu-Tempel, der mitten auf dem Phewa-See auf einer kleinen Insel liegt. Hier herrscht schon richtiges Gedränge. Die Gläubigen werden mit großen Booten abgeholt, selbstverständlich gilt auch hier Safety first und jeder Hindu hat vorschriftsmäßig eine große orangene oder gelbe Schwimmweste an. Sie sitzen in großen hohen unförmigen Booten und lassen sich von der Promenade schnell zur Insel im See übersetzen. Das Panorama ist überwältigend. Bunte Boote mit Frauen in bunten Saris, knallblauer Himmel, schneebedeckte Berge. Ich erkläre mit sofortiger Wirkung Pokhara zu meiner nepalesischen Lieblingsstadt.
Ich bitte unseren Bootsführer einmal um die Insel mit dem Hindu-Tempel herumzufahren, jetzt bin auch ich im Fotografier-Rausch.
Besonders der Machapuchare oder Fishtail (Fischschwanz) hat es mir heute angetan. Er erinnert ein wenig an das Matterhorn wie er da alleine, spitz, stolz und recht nah über Pokhara thront.
Dann spazieren wir entlang der Promenade am Phewa-See entlang und genießen noch einmal von Land aus diese märchenhaft schöne Gegend.
Auf unserem Weg nach Bandipur ist unser nächster Stopp am Bindabashani Temple, etwas östlich von Pokhara. Er liegt auf einem kleinen Hügel und damit vor dieser wirklich einzigartigen Kulisse mit dem Machapuchare im Hintergrund. Wir haben hier ein wenig Freizeit um uns umzuschauen, erregen aber als Ausländer recht viel Aufmerksamkeit. Offensichtlich ist man das hier überhaupt nicht gewohnt und viele wollen sich mit uns fotografieren lassen. Wir sind eher amüsiert darüber.
Weiter geht die Fahrt Richtung Osten und Pradeep hat noch eine weitere Überraschung für uns, die es in keinen Reiseführer gibt. Wir stoppen an einem großen Fluß und gelangen über große, breite Steintreppen hinunter ans Ufer. Es ist ein großer breiter Fluß, der zur Zeit nicht sehr viel Wasser führt. Nur während des Monsuns schwillt die Wassermenge auf das dreifache an und füllt den gesamten Flußlauf aus. Am Ufer sind wieder zwei Verbrennungen und die Männer-Gruppen am hiesigen und anderen Ufer schichten gerade die Scheiterhaufen auf, während ein anderer rasiert wird. Gegenüber wird fleißig Wäsche gewaschen. Auf der anderen Flussseite wird der Fluss-Schlamm abgebaut. Ich weiß nicht mehr wofür er gebraucht wird. An dieses besondere Flußmaterial kommt man aber nur in bestimmten Monaten, wenn der Wasserstand entsprechend tief ist. Im Hintergrund wacht der Machapuchari über diese eigentümliche Momentaufnahme des nepalesischen Alltags.
Der Umgang mit dem Tod gehört hier zum Alltag. Niemand fühlt sich von niemandem in der Ausübung seiner Tätigkeit gestört, die Bauarbeiter nicht, die Trauernden nicht und auch nicht die Frauen, die Wäsche waschen.
Vom Abzweig des Prithvi Highways nach Bandipur sind es ca. 25 km für die wir ungefähr eine Stunde brauchen. Die Straße ist schmal, eng, sehr steil und wir sind nicht sicher ob wir jemals dort oben ankommen.
Langsam kriecht unser Bus den Berg hoch und jedes entgegenkommende Fahrzeug verlangt ein umständliches Ausweichmanöver von unserem Busfahrer. Schließlich sind wir oben auf dem Berg angekommen und Pradeep teilt uns mit, dass wir den Rest laufen müssen. Bandipur hat keine Straßen, die von Bussen befahren werden können. Es liegt auf 1400m Höhe, mitten auf einem Bergkamm,und wird seit dem Mittelalter vom Volk der Newari bewohnt. Früher war es ein bedeutender Handelsplatz auf der Strecke zwischen Tibet und Kathmandu.
Unser Bus parkt vor den Toren des Städtchens und wir gehen den letzten Rest zu Fuß. Unsere schweren Koffer werden von kleinen flinken Frauen an uns vorbei zu unserem Hotel gebracht. Ein wenig Verwunderung und Mitleid tut sich da auf. Bandipur hat gar keine Straßen für Autos oder PKW. Es hat nur eine Art Haupt-Fußgängerzone und jede Menge kleine Seitenwege, die man zu Fuß erwandern oder mit dem Motorrad befahren kann.
Hier gibt es keinen Müll, der auf den Straßen liegt, es gibt öffentliche Mülleimer, die Straßen und Wege sind gefegt und die Straßen und Vorgärten sind mit bunten Blumen geschmückt. Ein Städtchen wie aus dem Bilderbuch! Puppenstube fällt uns noch als Beschreibung ein, oder Filmkulisse. Blühende Bouganvilleas und Efeu klettern die Hausfassaden hoch, die Promenade ist gepflastert und in den Vorgärten wachsen meterhohe Weihnachtssterne.
Unser Hotel stammt ebenfalls aus dem 17. Jahrhundert und ist ein altes umgebautes Wohnhaus. Es hat einen offenen Innenhof, 4 Etagen und darum herum sind die Zimmer gruppiert. Es hat eine sensationelle Terrasse mit freiem Blick auf die 8000er der Himalaya Kette, wie den Dhaulagiri (mit 8167 m immerhin der siebthöchste Berg der Welt)und dem Ganesh Himal.
Unser Zimmer erinnert allerdings eher an eine Höhle.
Allerdings haben wir ein Bad mit goldenem Waschbecken. Und es gibt nur heißes Wasser zwischen 17 und 19 Uhr und morgens von o7.oo h bis o9.oo h. Somit entfällt diese Art der Körperreinigung für uns. Aus Termingründen. Dafür schleppen aber diese zarten Damen des Hotels unsere schweren Koffer ohne mit den Wimpern zu zucken in den 4. Stock. Das scheinen sie häufiger zu machen. Wir sind beeindruckt.
Gegen 5 startet unser kleiner Dorfrundgang und führt uns an vielen bereits sehr schön restaurierten Häusern vorbei. Hier scheint jemand ganz mächtig zu investieren. Und als wir dann an der großen Werbetafel für die zukünftige Seilbahn vorbeikommen, sponsored by China, macht die ganze Sache auch Sinn.
Unser kleiner Rundgang endet an einem atemberaubenden Aussichtspunkt neben dem Sportplatz. Hier finden sich zum Sunset alle Touristen ein, die heute in Bandipur sind. Eine Gruppe Japaner, drei Italiener, ein französisches Pärchen und wir. Selbstverständlich sind die Japaner exzellent ausgestattet, mit teuren Kameras, Stativen und Selfiestangen. Es wird ein orgastischer Sonnenuntergang. Zuerst wird es im Tal vor uns dunkel, wir sind immerhin auf 1300 Meter Höhe und sehen wie sich dieses dunkle blau langsam ins Tal legt. Wenig später ist nur noch der Himalaya in Sonne getaucht und auch wir befinden uns schon im Erdschatten. Die Gipfel glühen in einem satten pink vor der dunkelblauen Landschaft. Dann sind nur noch die Spitzen der hohen Achttausender erleuchtet und ganz schnell legt sich auch der Mantel der Dämmerung über den Himalaya. Übrig bleibt eine in blaues dämmriges Licht getauchte Landschaft und nur die hellen Schneeflächen des Himalaya schimmern ein wenig. Kein Foto kann diese Schönheit wiedergeben. Man muss es sich auf die Festplatte im Hirn brennen.
Das Abendessen gibt es im Hotel. Der einzige größere Raum des Hauses ist tagsüber zur Straße offen und abends werden einfach die Läden zugemacht. Das Licht ist zwar nicht sehr gut, aber wir sehen zumindest rudimentär was wir zu uns nehmen. Es gibt mehrere Gänge und die sind alle ausgezeichnet. Einmal abgesehen von diesem fürchterlichen Schnaps, den sie wiederholt versuchen uns anzudrehen.
Wir gehen früh ins Bett. Die Betten sind hart und schmal und ich hoffe wir finden heute Nacht im Zweifelsfall den Weg zur Toilette ohne uns die Birne einzuschlagen. Leider kann man unsere Zimmertür aber nicht schließen. Es handelt sich, streng genommen, gar nicht um eine Tür, sondern eher um zwei Flügel wie bei einer Western-Tür, die zu beiden Seiten aufschlagen wenn man dagegen drückt. Ein kleiner Holzstift soll die zwei Flügel dann zusammen halten. Tut er aber nicht, weil der eiskalte Himalaya-Wind direkt darauf steht und die Tür immer wieder aufdrückt. Prima, dann schlafen wir auch noch mit offener Tür bei Minusgraden… Stelle schließlich meinen schweren Rucksack vor die Tür damit sie wenigstens nicht offen steht. Für heute Nacht muss das so gehen.
Dann lege ich mich schnell ins Bett und mache die Augen zu.
27.10. Bandipur –Dhulikel
Von Hängebrücken, bunten Trucks und einer echten Göttin
Erstaunlich gut geschlafen in unserer Steinhöhle, obwohl eher eisig kalt. Die Nähe zum ewigen Eis liegt irgendwie in der Luft.
Kurze Katzenwäsche, da es noch zu früh ist für heißes Wasser aus der Dusche.
Nach dem Frühstück schleppen die kleinen zarten Nepali-Damen mit den übermenschlichen Kräften wieder unser Gepäck quer durch das Dorf zum Bus und wir folgen zu Fuß. Sie machen das offensichtlich häufiger denn kein Schweisströpfchen oder auch nur die geringste Anstrengung ist dabei irgendwo zu sehen.
Zum Abschied werden wir noch vom Hotelier gesegnet, mit einem hellen Schal um den Hals und dem roten Punkt auf der Stirn. Warum er das darf oder ob das jeder kann haben wir nicht geklärt. Es kann auf jeden Fall nicht schaden bei einem Tag on-the-road.
Das unter uns liegende Tal ist gefüllt mit tiefhängenden Wolken, daraus heben sich die mittelhohen Berge ( nur Hügel, würde Pradeep sagen) und dahinter thront der schneebedeckte Himalaya. Atemberaubendes Panorama ! Die Ausläufer des schmucken Bandipur kleben in den Bergen. Was für ein toller Ort.
Auf unserer Fahrt ins Tal und in den Morgennebel unternehmen wir noch eine kleine Wanderung und machen halt bei einem typischen nepalesischen Bauernhof der noch im tiefen dunstigen Morgennebel liegt. Da sind Maiskolben zum Trocknen aufgeschichtet und Knollen liegen zum Trocknen im Hof. Frau Bäuerin steht mit ihrem kleinen Sohn auf dem Arm stolz dabei. Auch wenn ich wieder dieses Zoo-Gefühl habe macht sie auf jeden Fall nicht den Eindruck als wäre es ihr unangenehm.
Es gibt Blumenbeete und eine Bio-Kläranlage hinter dem Haus. Und irgendwie macht sie einen glücklichen und zufriedenen Eindruck.
Wir laufen noch ein Stück weiter dieses kleine enge kurvige Gebirgssträßchen entlang. Manche Büsche sind komplett von diesen großen Spinnennetzen umhüllt und überall sitzen diese große schwarzen dürren Spinnen und warten auf Beute. Ein laufender Busch geht ein Stück mit uns des Weges. Was diese Menschen hier, insbesondere die Frauen, für Gewichte tragen, ist schon ganz erstaunlich. Meistens tragen sie sie auf dem Rücken, viele haben noch als zusätzliche Entlastung ein breites Band um die Stirn um die Schultern zu entlasten.
Unsere Busfahrt führt uns heute wieder größtenteils entlang eines engen Tales und wir machen unseren ersten kleinen Fotostopp an einem kleinen Wasserkraftwerk. Ob das nicht hier bei den vielen Flüssen aus dem Himalaya eine perfekte Stromquelle für ganz Nepal wäre, fragen wir Pradeep. Grundsätzlich ja, meint er. Allerdings dürfen die Kraftwerke nicht allzu groß sein da es wegen der vielen Erdbeben hier viel zu gefährlich wäre ein großes Kraftwerk mit einer großen Staumauer zu bauen. Ja, die Erdbeben. Deren verheerende Spuren wir schon überall gesehen haben. Doch die Problematik ist klar.
Unser nächster Stopp ist in einem kleinen bunten Städtchen entlang unserer Strecke. Die ganze Hauptstraße ist über und über mit silbernen Gebetsfähnchen dekoriert die wunderschön im Wind flattern. Es gibt viel Platz zum Parken und scheint irgendein Verkehrsknotenpunkt auf halber Strecke zwischen Pohkara und Kathmandu zu sein. Überall sind fliegende Händler die Obst und Gemüse anbieten. Die großen überfüllten Überlandbusse machen hier Pause. Allerdings scheint der ergatterte Sitzplatz im Bus so wertvoll zu sein dass die Leute aus dem Busfenster heraus sich von den Händlern mit Proviant versorgen lassen. Da patroullieren Händler, die riesigen Tabletts voll Backwaren, Wasserflaschen oder frisch geschälten Gurken auf dem Kopf balancieren vor den Bussen und verkaufen ihre Leckereien. Es gibt kleine Guesthouses und Hotels entlang der Hauptstraße die wunderschön bunt angemalt sind und eigentlich recht einladend aussehen. Da wird gefeilscht und gehandelt und nebendran die Wäsche gewaschen oder man sitzt zusammen und hält ein kleines Schwätzchen. Da werden kunstvoll aufgetürmte und farblich sortierte Getränke feilgeboten, die Obsternte aus dem eigenen Garten verkauft oder Ersatzreifen angeboten ( ein sehr einträgliches Gewerbe wie mir scheint bei diesen Straßenverhältnissen) .Ein wunderbarer Platz um die alltäglichen Szenen eines nepalesischen Tages zu beobachten.
Unser nächster Stopp ist an einer Hängebrücke über einen eisigen Gletscherfluss. Mittlerweile spazieren wir deutlich souveräner über diese wackeligen Stahlverstrebungen. Die Menschen schleppen wieder irrsinnige Gewichte auf ihrem Rücken auf die andere Flussseite, sogar Frauen mit kleinen Kindern sind dabei. Sie haben die Ausmaße riesiger Mehl- oder Zementsäcke, meistens ist es Reis und sie gehen gekrümmt und gebückt unter ihrer schweren Last.
Diese Hängebrücke wird aber auch von Motorrädern genutzt. Und wir staunen nicht schlecht wie sich der erste Motorradfahrer ziemlich cool an uns vorbeischlängelt. Die Brücke ist doch breit genug…
Entlang der Strecke sehen wir auch immer wieder öffentliche Wasserhähne direkt neben der Straße. Die werden offensichtlich von allen genutzt die zu Hause kein fließend Wasser haben. Hier wird Geschirr oder Kleidung gewaschen oder Schuhe geputzt, Körper oder Haare gewaschen und das Wasser in große Flaschen abgefüllt.
Nächster Stopp mit kleinem Spaziergang ist in einem kleinen Örtchen entlang des Flusses was offensichtlich bekannt für seine Süßwasser-Garnelen ist. Hier bietet jeder Händler das Gleiche an – geräucherte, knusprig braune Garnelen auf Holzspießen. Eigentlich sehen sie ganz appetitlich aus, wenn ihnen sicherlich auch ein wenig Kühlung statt heiße Sonne und der Dreck des Durchgangsverkehrs gut tun würden. Das Fleisch aus Nachbars Schlachtung wird übrigens genauso dargeboten. Es liegt einfach auf dem Verkaufstisch in der Sonne und wartet auf Kaufwillige.
Verbringe viel Zeit heute während dieser langen anstrengenden Etappe damit die entgegenkommenden LKWs zu betrachten. Ich muss gestehen ich
habe mich in sie verliebt. Diese schreiend bunten Ungetüme sind die wahren Herrscher der nepalesischen Landstraßen. Und das steht auch auf den meisten vorne drauf : „Road King“. Sie sind Heiligtümer, fahrbare Schreine, Heimat und Bettstatt ihrer stolzen Besitzer. Gut sichtbar prangt da das Logo des örtlichen Boxvereins , von Manchester United oder dem FC Bayern München ( tatsächlich !). Die passende Lieblingsgöttin ist daneben gemalt mit einer schönen Szene des Bergdorfes aus dem der stolze Besitzer kommt.
„Best driver of Besisahar“ steht vorne auf der Motorhaube oder wahlweise der Name eines anderen Dorfes am Himalaya. Sie sind in allen Farben des Regenbogens bemalt, mit Troddeln, Gebetsfahnen und bunten Bändern geschmückt die quer über die Kühlerhaube von oben nach unten gespannt sind, wahlweise gehen auch zwei Warndreiecke mit den Spitzen zusammenlaufend quer über der Windschutzscheibe. Da sind Hindu-Malereien auf den Seitentüren, Göttinnen, Tempel und Buddha-Bilder, die nepalesische Fahne. Alles was den Fahrer glücklich macht und wichtig ist in seinem Leben. Und ein bisschen göttlicher Beistand hat durchaus seine Berechtigung auf diesen Straßen. Haben wir ja auch schon gelernt.
Die Fahrerkabine gleicht eher einem Familienwohnzimmer, mit Teppichen und Stoffen an den Seiten, einer großen Matratze und einem kleinen buntverzierten Altar. Wenn es geht fährt auch die ganze Familie mit. Dicht gedrängt sitzen sie da zusammen neben und hinter dem Fahrer der eindeutig der Chef im Ring ist. Werde hier noch zum echten Truck-Spotter…
Am späten Nachmittag sind wir in Patan, oder Lalitpur wie es heute heißt. Hier kommt unser Reiseleiter Pradeep her.
Patan ist die drittgrößte Stadt in Nepal und das erleben, er-riechen und erhören wir auch bereits in dem Moment in dem wir den Bus verlassen. Haben wir uns doch in den letzten Tagen in wunderbar grünen, natürlichen und ruhigen Gegenden Nepals herumgetrieben erscheint uns dieses Menschen- und Verkehrsgewühl sehr suspekt, laut, dreckig, hektisch und ungesund. Da müssen wir beim Gang durch die Haupteinkaufsstraße wieder aufpassen dass wir unsere Gruppe nicht verlieren und zahlreichen Motorrädern, Autos und Rischkas ausweichen. Innerlich stöhne ich auf. Das sind wir nicht mehr gewöhnt.
Pradeep führt uns zielsicher auf die Dachterrasse eines Restaurants gerade noch rechtzeitig vor dem Sonnenuntergang. Von hier aus haben wir einen tollen Blick auf den Durbar Square von Patan mit all seinen Tempeln und Altären. Auch der zählt zu den vielen Unesco-Weltkulturerbe-Stätten der Nepalis.
Wir durchstreifen die Hinterhöfe Patans. Pradeep kennt sich nun mal gut aus hier. Zeigt uns hinduistische kleine Tempel in jedem zweiten Hinterhof, weist auf atemberaubende Holzschnitzereien in Eingangstüren hin, prunkvolle Fensterumrahmungen und Hausfassaden. Es wird dunkel und manch enger Durchgang zwischen zwei Häusern ist nur noch mit einer spärlichen einsamen Glühbirne beleuchtet. Bücken uns durch niedrige Durchgänge ,drücken uns an Hauswänden vorbei und stehen im nächsten Innenhof mit Schrein und Altar. Ich würde hier nie wieder heraus finden.
Aber Pradeep ist auf einer Mission. Er möchte mit uns zur Kumari. Der lebenden Kindgöttin. Und vielleicht haben wir das Glück sie heute noch zu sehen.
Von der Kumari haben wir schon in Kathmandu gehört. Und irgendwie hat es uns ein wenig gegruselt dabei. Es gibt also 7 Kumaris im gesamten Kathmandu-Tal, jede größere Stadt hat eine eigene . Das sind kleine Mädchen die im Alter von 3-4 Jahren zur „lebenden Göttin“ gemacht werden. Ein kompliziertes Auswahlverfahren geht dem voraus. Sie wird anhand von 32 besonderen Körpermerkmalen und ihrem Geburtshoroskop ausgewählt. Wichtige Merkmale sind z.B. die Größe ihrer Augen, die Form der Nase, ein liebliches Antlitz und natürlich muss sieaus gutem Hause kommen und sich ordentlich benehmen können. Wird sie erwählt ist sie so lange Göttin, also Kumari, bis sie zum ersten Mal blutet. Dann ist es mit dem Göttlichen vorbei und eine neue Kumari wird bestimmt und ausgewählt. Sie darf fortan das elterliche Haus nicht mehr verlassen, nicht in die Schule gehen und darf den Boden nicht mehr berühren. Mittlerweile gibt es wohl Privatunterricht für die Kumaris, früher ist man davon ausgegangen dass sie als Göttin allwissend ist und einen Unterricht somit hinfällig. Allerdings darf auch heute der Kindgöttin nicht widersprochen werden, was natürlich Unterricht und Erziehung recht schwierig macht.
Pradeep hat uns erzählt dass sie, wenn sie nicht mehr Kumari sind, nicht heiraten und eine Familie gründen dürften weil die landläufige Meinung ist eine ehemalige Kumari bringe Unglück. Vorbei ist es mit der Kindheit. Fortan muss sie in erster Linie Leute segnen, hat größtenteils Sprechverbot und wird von jedem nepalesischen Hindu als Göttin verehrt. Da kann es einem schon mal kalt den Rücken runter laufen, bei solchen Aussichten für ein süßes kleines Mädchen.
Um kurz vor 6 sind wir tatsächlich am Haus der Kumari von Patan und erhalten noch Einlass. Das Haus liegt in einem der zahlreichen Hinterhöfe und lediglich das große Schild am Haus weist darauf hin dass es sich um einen göttlichen Haushalt handelt. Pradeep erzählt uns dass bereits die ältere Tochter der Familie eine Kumari war. Scheint ein einträgliches Geschäft mit einer Kumari-Tochter zu sein. Oder eine besonders gesegnete Familie.
Wir steigen enge, dreckige Treppenstufen hinauf, der Teppichboden ist fleckig und zerschlissen von den vielen Füßen die hier schon ein und aus gegangen sind und begeben uns in ein größeres, genauso heruntergekommenes Zimmer im hinteren Teil des Hauses. Irgendwie hatte ich mir die Umgebung etwas gediegener, göttlicher vorgestellt. Es wird uns signalisiert uns auf den Boden zu setzen und zu warten.
Vor uns am hinteren Ende des Zimmers steht ein kleiner pinkfarbener Thron, davor eine Messingschale und brennende Kerzen. Doch erst einmal passiert gar nichts. Wird die Göttin uns heute noch empfangen ?
Dann betritt ein Mann den Raum und hat ein kleines Mädchen mit einem langen rot-goldenen Kleid auf dem Arm. Er setzt sie eher routiniert auf den Thron und verzieht sich in den hinteren Teil des Raumes. Da sitzt sie nun und starrt uns an. Zurecht gemacht und herausgeputzt, geschminkt wie ein Püppchen mit roten Fingernägeln. Mit einem großen roten Punkt auf der Stirn. Ihre Füße ruhen auf einem kleinen goldenen Thron, denn sie darf ja den Boden nicht berühren. Ein herausgeputztes kleines, vielleicht 4-jähriges Mädchen. Von Mutter bekommt sie eine Schale in die Hand gedrückt. Sie schaut etwas trotzig und missmutig. Wahrscheinlich hat sie gerade überhaupt keine Lust auf diesen Zirkus.
Gespannte Stille herrscht. Was passiert jetzt ?
Da kommt ein kleines Mädchen in den Raum, vermutlich ihre jüngere Schwester, wirft sich vor dem Thron auf die Knie, verneigt sich mit gefalteten Händen vor ihr und streckt ihr die Stirn entgegen. Darauf tunkt Kumari ihren Finger in die kleine Schale, holt etwas roten Blütenstaub aus dem Gefäß und tupft ihr einen roten Punkt auf die Stirn. Die Kleine steht auf, verneigt sich noch einmal vor ihr und geht wieder. So wird das also gemacht. Wenn man von Göttin empfangen wird. Die ersten aus unserer Gruppe erheben sich und fallen vor der Kumari auf die Knie, erhalten ihren roten Punkt auf der Stirn und entrichten ihren Obulus in der daneben stehenden Box. Soll ich jetzt auch aufstehen und zu ihr gehen ? Eigentlich gebietet es die bloße Höflichkeit schon. Sie empfängt uns extra jetzt noch. Doch in mir regt sich massiver Widerstand. Auf einmal empfinde ich diese ganze Situation als völlig pervers. Da sitzt ein aufgebrezeltes 4-jähriges Kind in einem heruntergekommenen Hinterzimmer auf einem schäbigen Thron, segnet Menschen jedes Glaubens nur damit sie nachher ordentlich Geld in die Box werfen . Sie wird von ihren Eltern völlig instrumentalisiert, ihrer Kindheit beraubt, ihres ganzen Lebens beraubt und dient in erster Linie als beste Einnahmequelle des gesamten Haushaltes, wie schon eine ihrer Schwestern vor ihr. Am liebsten möchte ich sofort aufstehen und gehen. Ich würde auch etwas spenden, aber ich beteilige mich nicht an dieser Farce.
Ein absoluter Irrsinn was Religion weltweit alles vermag. Alles im Namen des einen Gottes oder der vielen Götter. Egal in welcher Religion. Bin absolut bedient und heilfroh als sich endlich keiner mehr findet der gesegnet werden will und Fräulein Göttin von ihrem geschäftstüchtigen Vater wieder abgeholt und hinausgetragen wird. Was für eine perverse Veranstaltung ! Bin total aufgebracht und entsetzt.
Durch die dunklen Straßen von Patan wandern wir durch das sehr schöne bunt bemalte Stadttor zurück zu unserem Bus. Unterwegs besuchen wir noch einen beeindruckenden Tempel mit goldenen Türen und Stein-Intarsien-Arbeiten an der Decke. Dann müssen wir noch eine Stunde fahren bis zu unserem Hotel in Dhulikel.
Ziemlich spät kommen wir dann in unserem Hotel Himalayan Horizon an und gehen direkt zum Abendessen. Das Buffet ist eher mittelmäßig.
Im Laufe des Abends erleben wir dann 3 x einen kurzen Stromausfall. Das war aber tatsächlich das erste Mal auf unserer Nepal-Reise. Dabei sind wir bestens ausgestattet mit Taschenlampen und Kerzen.
Haben ein riesiges Zimmer mit einem halben Panorama-Wohnzimmer und Balkon. Wohin der zeigt kann man allerdings nur vermuten in der Dunkelheit. Badezimmer ist mal wieder schimmeltechnisch betrachtet am unteren Ende der Ertragen-Skala. Offensichtlich legt man in Nepal nicht so besonders viel Wert auf Badezimmer. Die Zimmer sind sonst immer sehr schön und groß und gut eingerichtet. Aber die Badezimmer… nun ja, es gibt eine funktionierende Dusche (wenn man weiß wie man sie zu bedienen hat) und fließendes Wasser. Das ist tatsächlich schon mehr Luxus als die meisten Nepalis je in ihrem Leben hatten. Vielleicht muss man es so sehen.
28.1o. Dhulikel und Umgebung
Vom Reis und geschlachteten Hühnchen und einem Tiger
Aufwachen mit Himalaya-Blick. Von der Empore wo unser Bett steht über die Sitzgruppe und den Stuck-Balkon direkt auf den Himalaya. Er erscheint zwar ein wenig diesig heute Morgen aber grundsätzlich wollen wir uns nicht beschweren. Da fällt das Aufstehen leicht.
O8.oo h ist wie üblich Abfahrt. Unser erstes Ziel ist das Städtchen Dhulikel selbst. Wir machen einen kleinen Spaziergang und besuchen zuerst den örtlichen Hindu-Tempel. Tempel sind Pradeeps Passion. Und ich kann ihm oft nicht ganz folgen in seinen Beschreibungen und Geschichten die er erzählt. Viel interessanter finde ich die beiden Frauen die rund um den Tempel ihren Reis zum Trocknen ausgebreitet haben und ihn hingebungsvoll harken und in schönen, gleichmäßigen Rillen auslegen damit die Sonne an möglichst viel Reis herankommt und ihre Arbeit macht. Die Mitte wird freigelassen damit die Sonne sie im Laufe des Tages erwärmt. Dorthin wird dann abends der Reis gekehrt damit er nachts weiter trocknet.
Jeder breitet seinen Reis dort aus wo Platz ist. Vorzugsweise vor der eigenen Haustür, gerne aber auch rund um die mit viel Platz versehenen Tempel. Niemand vergreift sich daran, höchstens einmal die Tauben. Aber die sind ja heilig.
Heute ist Schlachttag in Dhulikel und so werden die frisch geschlachteten Hühner oder Büffelstücke eben auf die Theke gelegt damit sie begutachtet werden können bevor man sie kauft. Besonders dekorativ sehen die Hühnchen aus, wie sie da gerupft auf der Theke liegen und die Beinchen in die Luft gestreckt….
Es folgt, mal wieder, eine abenteuerliche Fahrt mit dem Bus in die Berge zum buddhistischen Kloster von Namobuddha, einem wichtigen buddhistischen Wallfahrtsort. Es liegt auf einer einsamen Bergspitze und die letzten Kilometer mit dem Bus sind wirklich atemberaubend staubig und abenteuerlich. Der Bus quält sich mit 10 kmh den Berg hoch, durch riesige Schlaglöcher und Spurrillen. Ohne Wendemöglichkeit. Die gibt es erst wieder oben. Aber irgendwie schafft er es und wir steigen erleichtert aus. Wieder zu Hause lese ich im Internet über diesen Straßenabschnitt hoch zum Kloster dass man ihn nur mit einem Allrad- Jeep befahren könne…. Das weiß aber unser Busfahrer nicht…
Nach einem kurzen Fussmarsch gelangen wir ans Kloster. Hier findet gerade ein Gottesdienst statt und die Klänge die aus dem Kloster zu uns herüberwehen passen in diese spirituelle Umgebung. Wir dürfen die Schuhe ausziehen und einen Blick in den Andachtsraum werfen in dem an die hundert Mönche aller Altersklassen versammelt sind. Sie singen diese buddhistischen Mantras, nur unterbrochen von Trommelschlägen und vereinzeltem Glockenspiel. Hier würde ich mich jetzt gerne eine Weile hinsetzen und die Atmosphäre genießen. Zumindest dürfen wir durch den Mittelgang zu den drei heiligen Buddha-Figuren gehen und dort einen kurzen Moment stehen bleiben. Uns dann umdrehen und zurück gehen. Wir wollen sie nicht in ihrer Andacht stören.
Der Legende nach opferte sich Buddha hier einer hungrigen Tigerin und deren Jungen um sie so vor dem Verhungern zu retten. Somit ein sehr heiliger Ort hier in Nepal der große Verehrung erfährt.
Vom Aussichtspunkt oben auf dem Plateau des Klosters hat man einen sensationellen Blick bis zum heute sehr deutlich zu sehenden Himalaya.
Gnädigerweise dürfen wir die tausend Steinstufen (nein, ich habe sie nicht gezählt ) heute hinunterlaufen und nicht hoch. Sie führen durch einen über und über mit tausenden Gebetsfahnen geschmückten Wald direkt zum großen heiligen Stupa etwas unterhalb des Klosters.
Von dort aus führt unser Wanderweg weiter den Berg hinunter in die Ebene.
Es ist eine traumhafte Wanderung. Leicht bergab durch Wälder, zwischen Reisfeldern, an Wiesen und Bächen vorbei. Durch kleine Dörfchen. Hier ist die Dorfschule aus und die uniformierten, schicken Schulkinder kommen uns entgegen, dort kommt uns ein Bauer mit seinem Wasserbüffel an der Leine auf dem Feldweg entgegen. Überall wird in kleinen Gruppen auf den Reisfeldern geerntet. Sie schneiden die reifen, goldgelben Ähren von Hand mit ihren scharfen Krummsäbeln ab und legen sie zuerst ein paar Tage zum trocknen aus oder stellen sie in Garben zusammen. Dann werden sie gesammelt und entweder von Hand ausgeschlagen oder in ein einfaches Erntegerät gesteckt das die Reiskörner von ihren Halmen trennt. Dann wird der geerntete Reis auf großen Planen vor dem eigenen Haus in der Sonne zum Trocknen ausgelegt und mehrmals täglich gewendet.